Nachhaltigkeit und Medienpädagogik – eine Chance?

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Medienpädagogik und Nachhaltigkeit – kann das überhaupt zusammen gehen oder stehen wir hier vor einem strukturellen Dilemma? Denn wenn Medienpädagogik sich per definitionem immer mit jeweils neuen Techniken und Technologien auseinandersetzen muss – können wir dann als Medienpädagog:innen in der Vermittlung und der Lehre von Medienbildung nachhaltig arbeiten? Können wir überhaupt konsequent und nicht nur in Teilen nachhaltig sein? Dieser Artikel ist die Fortsetzung von Medienpädagogik und Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit ist eines der relevantesten Themen

Wie gehen wir mit der Welt um und welche Ressourcen werden in den nächsten Jahren noch zur Verfügung stehen, wenn wir sie weiter so nutzen wie heute? Was würde uns zum Umdenken anregen? Gibt es allgemeingültige Maßnahmen, die Elektroschrott vermeiden können? Oder führen diese im gleichen Atemzug zu Ungleichheiten? Würde damit auch im Gesellschaftlichen eine Kluft zwischen einzelnen Schichten entstehen? Können durch Sanktionen Partizipationsmöglichkeiten von einzelnen Personen und ganzen kulturellen Szenen und Milieus im sozialen Leben beeinträchtigt werden? Und welche Auswirkung hat dies?

Es steht fest, dass sich etwas ändern muss: in unserem Konsum, Verhalten und Handeln. Aber wie ist dies in einer Zeit der Digitalisierung möglich? Wie kann insbesondere Medienpädagogik dazu beitragen? Und welche Aufgaben gibt es und welche Ziele müssen dafür definiert werden?

Medienpädagogik und Nachhaltigkeit – ein allgemeines Problem oder eine Chance?

„Nach Schätzungen ist das Internet für etwa 1,5 Prozent des globalen Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich und benötigt rund 6 Prozent des weltweit produzierten Stroms. Während weltweit der Energieverbrauch im Verhältnis zur Produktivität um etwa 1,8 Prozent jährlich zurückgeht, steigt er im digitalen Bereich um 4 Prozent pro Jahr.“ (Energie Experten) Diese Erkenntnis ist einleuchtend. Doch welche Schlüsse ziehen wir daraus für die Medienbildung?

„Im Nachhaltigkeitsdiskurs werden drei Dimensionen von Nachhaltigkeit und ihrer Verflechtung beschrieben: eine ökonomische, eine ökologische und eine soziale Dimension“ (Böhnisch 2021, S.20). „Ihre Verbindung zueinander ist komplex. Ohne intakte Umwelt kein Leben und keine Wirtschaft, ohne Wirtschaft keine lebensfähige Gesellschaft, ohne Gesellschaft keine Politik, die Wirtschaft regulieren könnte, ohne Regulierung keine intakte Umwelt. […] Bisher tragen digitale Technologien erheblich zur Wachstumsdynamik bei. […] Für Medienbildung und -pädagogik ergeben sich aus dieser allgemeinen Übersicht bereits viele Anknüpfungspunkte, um über Ziele und Ausrichtungen der Zukunft zu diskutieren und Ideen und Kriterien zu entwickeln, welche digitalen Zukünfte mit Bildungsangeboten unterstützt werden sollen“ (Sieben 2021, S.27). Hinsichtlich dieser Aussagen ist es umso wichtiger, nun aktiv zu werden! Es wird deutlich, welche Auswirkungen der aktuelle Konsum mit sich bringt. Dennoch ist es möglich, noch umzulenken, um weiterhin das Zusammenleben von Ökologie, Ökonomie und Sozialem erhalten zu können.

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Es benötigt einen neuen Blick und ein Umdenken

Wir leben in einer stark von der Digitalisierung geprägten Welt, mit ständig sich erneuernden Technologien, zu denen wir uns in der Medienpädagogik positionieren müssen und mit denen wir uns zwangsläufig auseinandersetzen müssen. Damit scheint Nachhaltigkeit im Sinne eines Verzichts auf potenziell umweltschädliche Technik nicht machbar.
Andererseits bietet Technik-Nutzung im Diskurs zur Nachhaltigkeit auch die Möglichkeit, neue Positionen zu beziehen, Ausrichtungen zu überdenken und Ideen voranzutreiben. Ein Grundgedanke dabei ist, dass Bildung von hoher Bedeutung ist für die nachhaltige Entwicklung (s. BNE). Für den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WGBU) ist die künftige Zukunft ein Schauplatz des digitalen Wandels. „Denn Digitalisierung offeriert ein ungeheures Spektrum an Möglichkeiten zur Unterstützung der Großen [!] Transformation zur Nachhaltigkeit“ (WGBU 2019, S.4). Die Grundidee ist dabei, dass Technik ressourcenschonend und (selbst-)optimierend eingesetzt wird, wobei gerade Digitalisierung Einsparpotentiale generieren kann.

Was schließlich die verantwortliche Nutzung von Technik angeht, ist Bildung ein zentraler Schlüssel: „Menschen müssen befähigt werden, die anstehenden Umbrüche zu verstehen und mitzugestalten. Umfassende Bildung für nachhaltige Entwicklung im digitalen Zeitalter ist der Schlüssel hierzu“ (Sieben 2021, S. 30).

Digitale Mündigkeit

In dieser Perspektive kann dann auch Medienpädagogik im Nachhaltigkeitsdiskurs einen bedeutenden Beitrag leisten, wenn einerseits die Möglichkeit von Partizipation gerade von Kindern und Jugendlichen durch Medien gegeben wird. Andererseits kann durch medienpädagogische Praxisprojekte eine spielerische Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen gefördert und das notwendige Wissen dazu vermittelt werden. Durch diese Befähigung und das Lernen an Medien können die anstehenden Umbrüche verstanden und mitgestaltet werden. Die Bewegung „Fridays for Future“ zeigt uns dabei, dass die Interessen an einer Partizipation zu Themen des Alltags vorhanden sind und somit die Wahrnehmung wichtig ist.

Grundlegendes Ziel sollte es sein, mit Blick auf Digitalisierung und Digitalität Mündigkeit zu fördern. Dies wurde beispielhaft schon in zahlreichen Projekten umgesetzt. Hinsichtlich des Themas Nachhaltigkeit gibt es jedoch noch Nachholbedarf. Dabei ist eine zentrale Voraussetzung für digitale Mündigkeit, dass Menschen überhaupt die Chance zur Partizipation erkennen und erhalten. Dafür wiederum ist eine gerechte Verteilung und ein fairer Zugang zu den benötigen Medien und Technologien Voraussetzung. Gerade für Schüler:innen muss es also einen günstigen Zugang zu Medien und Materialien geben, aber auch z.B. günstige Internetverträge. Andernfalls führen die großartigen technischen Entwicklungen zu Exklusion oder in die Schuldenfalle.

Nachhaltigkeit braucht gerechte Verhältnisse.

„Nachhaltigkeit braucht gerechte Verhältnisse. Solange sie nur für Wohlhabende umsetzbar ist, scheitert sie. Dafür braucht es eine gesellschaftliche Rahmung und Infrastruktur ohne Barrieren“ (Sieben 2020). Als Konsequenz daraus folgt, dass gerechte Teilhabe und umfassende Partizipation zentrale Themen der Medienpädagogik sind. Voraussetzung zur Erreichung der genannten Ziele ist, dass alle am gesellschaftlichen Geschehen teilnehmen können – also auch digital. Dabei kann Medienpädagogik eine wichtige Rolle einnehmen. Denn durch die aktive Medienarbeit mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Senior:innen kann jede und jeder die Möglichkeit bekommen, aktiv am digitalen Leben teilzunehmen. Dadurch wird wiederum die Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen und Themen wie der Frage nach nachhaltigem Handeln gefördert.

Allerdings kann gesellschaftliche Spaltung zwischen verschiedenen Generationen und sozialen Gruppierungen auftreten, so Gerda Sieben: „Auf der einen Seite diejenigen mit hoher Medienkompetenz und (häufig auch) Verantwortungsbewusstsein, auf der anderen Seite diejenigen, die aufgrund sozioökonomischer Benachteiligung keinen Zugang und auch keinen Einblick in die Mechanismen der Mediengesellschaft haben. Hier ist die Medienpädagogik besonders gefordert, auch benachteiligten Kindern und Jugendlichen souveräne Teilhabe an Medienwelten zu ermöglichen, in Medienprojekten politische Bildung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Demokratieverständnis zu fördern.“ (Sieben 2020)

Überwindung von gesellschaftlichen Spaltungen

Schlussendlich kann Medienpädagogik dazu beitragen, diese gesellschaftliche Spaltung zu überwinden und gerechte Verhältnisse zu schaffen. Dann wird es umso einfacher, gemeinsame Ziele auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit zu erreichen. „Auch um dem Klimawandel gegenzusteuern, müssen wir umdenken – und auch verzichten auf viele liebgewonnene Gewohnheiten. In einer verantwortungsvollen Gemeinschaft fällt dies viel leichter. […] Nachhaltigkeitskonzepte setzen auf offene Gemeinschaften, die sich mit verschiedenen Ansätzen einem Ziel nähern, das alle angeht: den Planeten für alle und nicht nur für einige Privilegierte bewohnbar zu halten. Und ja, sie grenzen sich ab von jenen, die die Krise leugnen. Man ist also mitten drin in einem der wichtigsten medienpädagogischen Themen: Wahrheit oder Fake? Erkenntnis und Interesse“ (Sieben 2020). Durch die Verbindung von unterschiedlichen Generationen durch Medien kann somit eine mögliche Spaltung überwunden werden. Zugleich ermöglicht dies aber auch ein gemeinschaftliches Herangehen an die Gestaltung der Zukunft.

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Aufgabe für die Medienpädagogik

„Angesichts der aktuellen Herausforderungen muss sich Medienpädagogik ebenso stärker auf politischer Ebene zu Nachhaltigkeitsfragen positionieren. In diesem Zusammenhang sind Akteur*innen der Medienpädagogik gefordert, die eigenen Haltungen zur Idee Nachhaltigkeit zu hinterfragen und weiterzuentwickeln.“ (Schluchter u. Maurer, S.10)

Digitale Mündigkeit erleben lassen, politische Stellungnahmen zur Nachhaltigkeitsfrage abgeben, die eigenen Haltung zur Nachhaltigkeit hinterfragen und weiterentwickeln, die unterschiedlichen medienpädagogischen Akteur:innen wahrnehmen und mit diesen zu agieren, die neusten Technologien erproben und viele weitere Aufgaben werden hier der Medienpädagogik zugeschrieben. Diese Fülle der Aufgaben kann auf den ersten Blick überfordernd wirken. Aber auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt!

 

Literaturnachweise

Gerda Sieben (2021): Offene Enden endlich verknüpfen. Medienbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: merz Zeitschrift für Medienpädagogik 65 (4), S. 27–37.
Gerda Sieben (2020): Natürlich digital?! Warum wir eine nachhaltige Medienpädagogik brauchen. URL: www.kubi-online.de
Jan-René Schluchter, Björn Maurer (2021): Medienbildung für nachhaltige Entwicklung. Editorial. In: merz Zeitschrift für Medienpädagogik 65 (4), S. 7–11.
Lothar Bönisch (2021): Nachhaltigkeit als Konflikt. Medienpädagogische Anregungen. In: merz Zeitschrift für Medienpädagogik 65 (4), S. 20–26.
WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (2019): Unsere gemeinsame digitale Zukunft. Hauptgutachten. Berlin: WBGU.

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