An die Grenzen

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Im Februar sind auf katholisch.de exklusiv sechs Kurzfilme zu sehen, die zum Nachdenken anregen. Dabei handelt es sich um eine Kooperation mit den „Katechetischen Blättern“, einer religionspädagogischen Fachzeitschrift, die in der aktuellen Ausgabe das Lernen mit Kurzfilmen thematisiert. Karsten Henning, Referent für Medienkompetenz im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, erklärt im Interview, welchen Qualitätskriterien Kurzfilme entsprechen sollten und was sie im Religionsunterricht zu suchen haben.

Frage: Herr Henning, warum beschäftigt sich die neueste Ausgabe der „Katechetischen Blätter“ mit Kurzfilmen?

Henning: Die „Katechetischen Blätter“ versuchen, die Lehrer bei ihrer Arbeit im Religionsunterricht zu unterstützen und der Kurzfilm birgt sehr große Ressourcen für den Religionsunterricht. Die Arbeit mit Kurzfilmen hat in der kirchlichen Bildungsarbeit eine lange Tradition.

Frage: Welche Ressourcen sind das?

Karsten Henning ist Referent für Medienkompetenz und Neue Medien im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Bild: katholisch.de

Henning: Kurzfilme verdichten Lebensgeschichten. Sie dramatisieren, spitzen sie zu. Damit können sich die Schüler identifizieren, sie tauchen tiefer in das Thema ein. Das ist der erste Schritt, um über Religion ins Gespräch zu kommen: Ich begreife, dass die Wirklichkeit tiefer ist, als ich sie zunächst wahrnehme. Möglicherweise komme ich den Grenzen meines Denkens, Fühlens und Handelns nahe, und es tauchen Grundfragen, urmenschliche Erfahrungen auf, die nicht mehr so einfach beantwortet werden können. Auch die Bibel macht nichts anderes, als urmenschliche Erfahrungen im Lichte der Gotteserfahrung zu interpretieren. Wenn die Schüler sich bei einer solchen Diskussion in ihrer eigenen Existenz angesprochen und bejaht fühlen, dann ist schon viel erreicht.

Frage: Welche Kriterien sollten Kurzfilme erfüllen, die im Religionsunterricht gezeigt werden?

Henning: Sie sollen vor allem kurz sein – maximal 15 Minuten! Kurzfilme sind keine Selbstläufer, sondern stehen im Dienst des Dialogs. Das funktioniert dann, wenn die Ästhetik im eigentlichen Sinne ansprechend ist. Die Dramaturgie muss schnell auf den Punkt kommen und dazu anregen, über den Film hinaus mit den Schülern ins Gespräch zu kommen, damit sie anhand der Bilder ihre eigenen persönlichen Erfahrungen einbringen.

Frage: Müssen die Filme auch einen explizit religiösen oder kirchlichen Bezug haben?

Henning: Es gibt in Medienstellen sehr viele Kurzfilme, die einen explizit religiösen Inhalt haben. Wir haben aber auch sehr gute Erfahrungen gemacht mit anderen Kurzspielfilmen, Animation- oder auch Experimentalfilmen, die einfach aus dem Leben heraus Erfahrungen verdichten. Es ist manchmal sogar hilfreich, mit Stoffen zu arbeiten, die nicht dezidiert religiös sind. Man kommt man über einen indirekten, möglicherweise überraschenderen Weg in eine religiöse Dimension.

Frage: Gleicht es nicht einer Bankrotterklärung, wenn Lehrer Schüler Filme ansehen lassen, anstatt selbst zu versuchen, den Glauben zu vermitteln?

Henning: Der Film ist ein Medium. Das wichtigste Medium ist natürlich der Lehrer. Wenn der Lehrer oder die Lehrerin nicht glaubwürdig ist, dann hilft auch der beste Film nichts. Es ist aber gut, ihnen eine Methode zur Hand zu geben, die auch die ästhetische Wahrnehmung, also das Sehen und Hören anspricht. Das hat eine andere Qualität als normaler Unterricht. Die Schüler werden ganzheitlicher angesprochen. Aber natürlich sollte der Lehrer den Film selbst vorher gesehen haben und auf den Unterricht vorbereitet sein. Wichtig ist auch, dass die Kinder oder Jugendlichen nach dem Film spontan ihre Eindrücke schildern können – und zwar ohne, dass das sofort bewertet wird.

Katechetische Blaetter, Ausgabe 1/14 mit dem Schwerpunkt „Kurzfilme“. Bild: Kösel Verlag

Frage: Was zeichnet die sechs Kurzfilme aus, die auf katholisch.de zu sehen sind?

Henning: Ich greife einfach mal zwei Filme exemplarisch raus. „Steffie gefällt das“ ist eine sehr humorvolle Auseinandersetzung mit der Generation Facebook – sehr anregend, um mit Schülern über die neuen Medien ins Gespräch zu kommen. Einer der herausforderndsten Kurzfilme überhaupt ist „Der Unbekannte“: Christus taucht an Weihnachten im Kloster auf, wird als solcher erkannt, aber dann, als es zum gemeinsamen Gebet gehen soll, zum Gehen aufgefordert. Schärfer kann man die Christusfrage nicht mehr stellen – und ich habe es schon erlebt, dass der Film zu wunderbaren, „religionsproduktiven“ Diskussionen führte.

Frage: Zum Schluss noch eine ganz praktische Frage: Einige Filme sind im Februar auf katholisch.de zu sehen. Wie kommen Religionslehrer an die anderen Kurzfilme, die in dem Heft vorgestellt werden?

Henning: Es gibt in fast allen Diözesen und Landeskirchen Medienstellen, wo man sich die Filme als DVD ausleihen kann. Dort erhalten LehrerInnen eine gute inhaltliche und didaktische Beratung und werden möglicherweise auf Filme aufmerksam gemacht, die sie noch gar nicht im Blick hatten. Über die Mediendatenbank unter www.medienzentralen.de gibt es zudem eine Fülle an interessanten Filmen kostenlos zum Download.

Das Interview führte Gabriele Höfling

[Edit 05.11.21: defekte Links entfernt; 25.03.2022: weitere defekte Links entfernt]

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