Der oft zitierte Digitalisierungsschub im Zuge der Covid-19-Pandemie hat zu deutlichen Veränderungen im Medienbesitz und in der Mediennutzung Jugendlicher geführt. Wie die jetzt veröffentlichte Studie JIM 2020 zeigt, haben sowohl persönliche Medienausstattung als auch Mediennutzungszeiten im Vergleich zu 2019 deutlich zugenommen.
Sowohl die Medienausstattung in Haushalten, in denen Jugendliche leben, als auch deren eigener Medienbesitz haben in diesem Jahr deutlich zugenommen. Mit Blick auf die Haushaltsausstattung ist im Vergleich zum Vorjahr vor allem bei Video-Streaming-
Diensten (+11 Prozentpunkte), Musik-Streaming-Diensten (+8 PP), Tablets (+10 PP), Wearables (+12 PP), Streaming-Boxen/Sticks (+11 PP) und Smartspeakern (+10 PP) ein starker Anstieg zu beobachten.
Bei den Jugendlichen selbst ist im Vergleich zu 2019 vor allem ein Anstieg in der Ausstattung von Computer/Laptops (+7 PP), Tablets (+13 PP), Wearables (+11 PP) und Fernsehgeräten mit Internetzugang (+14 PP) zu erkennen. Dabei finden sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern wie in Vorjahren beim Besitz von Computern (Jungen +23 PP) und Spielekonsolen (Jungen +19 PP) einerseits sowie Laptops (Mädchen +12 PP) und E-Book-Readern (Mädchen +6 PP).
Freizeitbeschäftigung und Medien
Zwar ist „Freunde treffen“ immer noch die wichtigste Freizeitaktivität. Aber die Nennung ist wegen der Corona-Pandemie um 14 PP zurückgegangen. Dafür haben Familienaktivitäten um 5 PP auf 40 % zugenommen. Bei den Medienbeschäftigungen in der Freizeit zeigt sich über fast alle Medien ein deutlicher Anstieg der Nutzungshäufigkeit. Den deutlichsten Anstieg verzeichnen die generelle Nutzung von Tablets (+ 15 PP) und Video-Streaming-Angebote (+15 PP). Netflix und Co. gehören damit zu den medialen Gewinnern der Corona-Krise und schließen erstmals unmittelbar zum traditionellen Fernsehen auf. Auch das Musik-Streaming hat deutlich zugenommen. Mittlerweile nutzen vier von fünf Jugendlichen regelmäßig Dienste wie Spotify, Apple Music, Amazon Music oder YouTube Music.
Ebenfalls deutlich zugenommen hat die Nutzung von Online-Videos (+6 PP) und digitalen Spielen (+5 PP). Der gleiche Trend zeigt sich aber auch bei den Online-Angeboten von Tageszeitungen und Zeitschriften (je +5 PP).
Die tägliche Onlinenutzung ist 2020 im Schnitt um 53 Minuten auf 258 Minuten gestiegen. Offenbar hängt diese Selbsteinschätzung Jugendlicher unmittelbar mit der Corona-Pandemie zusammen: Homeschooling und das Wegfallen verschiedener Freizeitaktivitäten verursachten eine verstärkte Onlinenutzung sowohl für schulische Zwecke als auch für die Freizeitbeschäftigung.
Die JIM-Studie unterscheidet seit Jahren vier inhaltliche Bereiche der Internetnutzung. Der Zuwachs im Bereich Unterhaltung (34 %, +4 PP im Vergleich zu 2019) ist dabei deutlicher als in früheren Jahren. Und Kommunikation (27 %, –6 PP) ist erstmals nicht mehr der wichtigste Bereich. Spiele (28 %, +2 PP) und Informationssuche (11 %, +1 PP) blieben dagegen nahezu gleich.
Corona und Lernen
Schon im Frühjahr 2020 gab es eine Sonderausgabe JIMplus 2020, die eine Corona-Zusatzuntersuchung umfasste. Die jetzige Studie bestätigt im Wesentlichen deren Ergebnisse. Insgesamt wird das Online-Lernen für die Schule durchschnittlich mit der Note 2,7 bewertet. Auffällig ist, dass besonders die älteren Jahrgänge (vor dem Hintergrund der Abiturvorbereitungen) mit den Anforderungen eines selbstgesteuerten und selbstorganisierten Lernens unzufrieden sind. Dazu trägt sicherlich bei, dass in dieser Altersgruppe der Anteil derer, die ausschließlich zu Hause lernen, mit 33 Prozent deutlich höher als bei den jüngeren Schüler*innen.
Desinformation, Hassbotschaften und Mobbing
Desinformation und Hassbotschaften sind als negative Seiten von Online-Kommunikation nicht neu, haben aber in diesem Jahr eine gesteigerte Bedeutung erfahren. Dies wird auch in den Erfahrungen der befragten Jugendlichen deutlich. Nahezu ein Drittel hat selbst schon einmal erlebt, dass falsche oder beleidigende Behauptungen über die eigene Person von anderen geäußert wurden. Und mehr als die Hälfte wurde innerhalb eines Monats mit Hassbotschaften im Netz konfrontiert. Auch Mobbing ist 2020 ein Thema: 38 Prozent der Jugendlichen haben in ihrem Umfeld schon einmal mitbekommen, dass jemand im Internet absichtlich fertig gemacht wurde. Elf Prozent bestätigen, dass sie selbst schon einmal Opfer einer solchen Attacke wurden.
Im Bereich der bewussten Desinformation und der Verbreitung extremistischer Inhalte zeigt sich, dass insbesondere jüngere Jugendliche deutlich häufiger von diesen Inhalten berichten. Möglicherweise fällt es Jüngeren generell schwerer, die entsprechenden Inhalte klar einzuordnen und zu bewerten. Auch Jugendliche mit einem formal niedrigeren Bildungshintergrund begegnen nach eigenen Angaben häufiger Falschmeldungen, Verschwörungstheorien oder politischen Extrempositionen.
Die Aufgaben für eine erfahrungs- und lebensweltbezogene Medienpädagogik sind also klar. Ob die von JIM 2020 festgestellten Veränderungen im Medienverhalten Jugendlicher eine Besonderheit aufgrund der Pandemie darstellen und ob sie sich langfristig auf die Mediennutzung auswirken, bleibt nach Auffassung der Herausgeber abzuwarten.
JIM 2020: Downloads
Die JIM-Studie 2020 steht wie immer online auf der Website des Medienpädagogischen Forderungsverbundes Südwest zum Download zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es wie in den Vorjahren auch als Service für alle, die damit z.B. in medienpädagogischen Fortbildungen arbeiten wollen, die Grafiken aus der Broschüre als PDF– oder Powerpoint-Datei ebenfalls zum Download.
Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) gibt seit 1998 jährlich die Studie Jugend, Information, Medien (JIM) heraus. Der mpfs ist eine Kooperation der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) und der Medienanstalt Rheinland-Pfalz (LMK). Für die JIM-Studie kooperiert der mpfs mit der Forschungsabteilung des Südwestrundfunk (SWR). Die JIM-Studie liefert repräsentative Basisdaten zur Mediennutzung von 12- bis 19-jährigen Jugendlichen, die durch Telefon- oder Online-Befragung von 1.200 Jugendlichen in Deutschland gewonnen wurden.
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