Nachdem die Tagung Kirche im Web (KIW) im vergangenen Jahr coronabedingt erstmals rein online stattfinden musste, gab es dieses Jahr neben dem Jubiläum auch eine echte Premiere. Denn unter dem Tagungsmotto „Wo Kirche online wächst“ ging es erstmals hybrid zur Sache. Neben gut 30 Teilnehmenden vor Ort in der Akademie des Bistums Rottenburg-Stuttgart waren nochmal knapp 40 Menschen online zugeschaltet. Zum Teil bestanden Reiseverbote, zum Teil war es Vorsicht – und bis in die Reihen der Veranstalter:innen und Referent:innen hinein auch häusliche Quarantäne, die dieses Format nötig machten.
Wo Kirche online wächst: Was lernen wir aus der CONTOC-Studie?
Nach dem traditionellen Warm-up am Donnerstagmorgen referierten Prof. Dr. Wolfgang Beck, Frankfurt-St. Georgen, und Oliver Adam, M.A., von der Universität Würzburg zentrale Ergebnisse der internationalen ökumenischen Studie Churches online in times of Corona (CONTOC). Die Studie, die im Mai 2020 in unmittelbarer Reaktion auf den ersten Lockdown in Deutschland und der Schweiz gestartet wurde, zeigt neben zahlreichen Gemeinsamkeiten der beiden großen Kirchen durchaus auch konfessionelle Unterschiede auf. So liegt evangelischerseits ein Fokus auf religionspädaogischen und katechetischen Herausforderungen, während für die befragten katholischen Hauptamtlichen stärker pastoral- und liturgietheologosche Aspekte sowie Fragen der Kirchenentwicklung im Vordergrund stehen.
Dabei ist aber durchgängig deutlich, dass der viel beschworene Digitalisierungsschub auch in Kirchen tatsächlich stattgefunden hat und in Form einer veränderten Praxis weiterwirkt: Kirche ist digitaler geworden! Gleichzeitig ist aber an vielen Stellen auch noch „Luft nach oben“, sowohl was die Ausstattung und Qualifikation von Akteur:innen angeht als auch hinsichtlich der Unterstützung durch Bistümer und Landeskirchen. Und auch in der ökumenischen Praxis liegen noch jede Menge ungenutzte Ressourcen. Denn ökumenische und interreligöse Kontakte sind zwar ein wichtiges Arbeitsfeld, das aber den Befragten nach zu urteilen in der Krisensituation als verzichtbar erscheint.
Der gesamte Vortrag und die anschließende Diskussion sind als Videomitschnitt auf YouTube verfügbar.
Master-Classes und Festakt
Ein erster inhaltlicher Schwerpunkt des Nachmittags waren die fünf parallelen Master-Classes, die alle ebenfalls hybrid durchgeführt wurden. Unter Anleitung der Expert:innen konnten die Teilnehmenden sich über Orden als Sinnfluencer, Messenger-Gottesdienste, Podcasts, Inszenierungen für Zoom-Räume oder Tipps für Fotografie austauschen und praktische Erfahrungen sammeln.
Der spätere Nachmittag und der Abend standen dann ganz im Zeichen des Jubiläums. Zunächst gaben Dr. Heinz-Hermann Peitz (Akademie Rottenburg-Stuttgart) und Dr. Martin Dabrowski (Akademie Franz-Hitze-Haus, Münster) einen Überblick über die Entwicklung der Tagung seit 2008. Daran schloss sich als Rückblick die Laudatio von Bischof Dr. Gebhard Fürst an. Das bei Kirche im Web entstandene Netzwerk, das auch über die Veranstaltungen hinaus gepflegt werde, sei vorbildhaft für kirchliche Kommunikation, so Fürst. Ausdrücklich erwähnte er die Clearingstelle Medienkompetenz, die auch Mitveranstalterin der Tagung ist. Sie sei eine Kulturstation, die heute „wichtiger ist denn je“, um durch Medienbildung über die technischen Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen aufzuklären. Schon früh hätten die Bischöfe die Relevanz der Vermittlung von Medienkompetenz erkannt und daher diese Stelle vor zehn Jahren eingerichtet.
Die Präses der Synode der EKD, Anna-Nicole Heinrich, betonte in ihrem Ausblick die Notwendigkeit, auch in digitalen Medien glaubwürdig aktiv zu sein. „Verkündigen wir auf Instagram – oder werben wir da für unsere Verkündigung vor Ort?“ Darüber hinaus sei auch die Frage, was die Gelingensfaktoren für kirchliche Angebote online seien. Dabei waren sich beide einig, dass Kirche da sein müsse, wo Menschen ihr Leben gestalten – digital wie analog. Außerdem müssten auch kirchliche Leitungsstrukturen stärker als bisher Digitalität als Lebensraum von Menschen in den Blick nehmen und mitdenken.
Die Vorträge und das Gespräch stehen als Videomitschnitt bei YouTube zur Verfügung.
Das KIW-Camp
Mittlerweile ein traditioneller Bestandteil der Tagung: das Barcamp von Kirche im Web – kurz KIWCamp. Auch in diesem Jahr gab es wieder eine Fülle von Themenvorschlägen rund um Kirche, Medien und Digitalität. Neben der ebenfalls mittlerweile traditionellen Session zu kleinen (und großen) nützlichen Tools für den digitalen Alltag in Pastoral oder Medienarbeit gab es unter anderem ein Update zum kirchlichen Datenschutz. Felix Neumann, Autor des Blogs Artikel 91, gab dazu einen knappen Überblick über aktuelle Entwicklungen. Zudem wurde die soziale Suchmaschine SuchHier vorgestellt, die wie große Suchmaschinenanbieter durch Werbung Gelder einnimmt – aber eben für soziale Projekte.
Andreas Lammel stellte ein Kunstprojekt zur gesellschaftlichen Aufarbeitung der Corona-Pandemie vor; Kerstin Heinemann informierte unter dem Titel „Mit Filmen für den Weltfrieden!“ über jugendkulturelle Perspektiven gegen extremistische Ansprache. Hanno Terbuyken schließlich hostete eine Session zu „Zwei Kirchen“. Und das sind nicht die evangelische und katholische, sondern die Kirche der Vergangenheit und die Kirche der Zukunft.
Stoff für Diskussionen wird es also auch weiterhin reichlich geben. Und die nächste Veranstaltung von Kirche im Web bietet dafür wieder Raum am 16./17. März 2023 im Franz-Hitze-Haus in Münster.
Eine Übersicht aller Sessions, bei der zum Teil auch Materialien verlinkt sind, findet sich in einem Taskcard-Board.
Weitere Berichte zur Tagung finden sich beim Bistum Rottenburg-Stuttgart sowie auf Explizit.net.
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