#rp23 – Cash!

rp23 - Plakataktion in Kooperation mit BrandEins
rp23 – cash: Plakataktion in Kooperation mit BrandEins
(Fotos / Montage: Andreas Büsch)

Am Abend des 07. Juni 2023 ging die re:publica 2023 – kurz #rp23 – in der Arena Berlin mit der mittlerweile traditionellen Closing Ceremony zu Ende. Dazu gehören neben Bohemian Rhapsody als Karaoke-Version mit über 1.000 Sänger:innen die Facts und Figures genannte Rückschau in interessanten bis skurrilen Eckdaten auf das diesjährige „Festival der digitalen Gesellschaft“ – so die Selbstbeschreibung der seit 17 Jahren stattfindenden Konferenz.

Aus über 1.100 Einsendungen hatten die Kurator:innen unter dem Motto „Cash“ ein breites Programm zusammengestellt. In unterschiedlichsten Formaten von Vorträgen über Podien, Diskussionen, Lightning talks und Workshops ging es um alle möglichen Aspekte von Finanz- und Internetökonomie, um eine Kritik der Datenökonomie und des Überwachungskapitalismus. Aber auch grundlegende Informationen, wie mensch sich finanzieren kann, wie der Inflation zu begegnen ist und welche Strategien die Bundesbank in einer Multikrise hat, fanden ihren Raum. Kenntnisreiche Vorträge zu Details stehen neben grundsätzlichen Fragestellungen: Wie finanzieren sich eigentlich Rechtsextreme und Verschwörungstheoretiker? (Zum Beispiel durch Netzwerke mit Affiliate-Links und erstaunlichen Boni, wenn sie (obskure) Produkte darüber verkaufen können.) Und wie steht es neben allen Geld-Fragen eigentlich um die Gemeinwohlorientierung einer digitalen Gesellschaft?

Das „heimliche“ Überthema der #rp23: KI

Neben den zahlreichen Slots zum Motto gab es aber auch ein übergeordnetes Thema, dass im Programm massiv präsent war: Künstliche Intelligenz war nicht zuletzt aufgrund des Hypes um ChatGPT das heimliche Überthema der #rp23. Auch wenn KI nicht zum ersten Mal auf einer re:publica präsent war, fiel doch auf, wie viele Beiträge diesmal KI zum Thema hatten. Die „schöne neue Welt“ generativer KI war ebenso grundsätzlich Thema wie deren konkrete Auswirkungen zum Beispiel im Journalismus oder bei Überwachungsstrategien.

Meredith Whittaker, Präsidentin der Signal Foundation, wies ebenso wie andere darauf hin, dass der „Mythos der intelligenten Maschine schwer aufrechtzuerhalten ist“. Denn tatsächlich wird hinter dem Werbebegriff KI eine immense humane Arbeitsleistung versteckt, wie zum Beispiel das Eliminieren schrecklicher Inhalte durch kenianische Clickworker für 2 US-Dollar pro Stunde für OpenAIs ChatGPT. Das wahllose Abschöpfen künstlerischer Inhalte, das einer Degradierung der Kreativ-Arbeiter:innen gleichkommt, ist nach Auffassung von Whittaker ebenso Anlass für Kritik wie die übertriebenen Angaben zu technologischen Fähigkeiten von KI.

Den populären Dystopien, wie sie zuletzt auch in offenen Briefen unter anderem von KI-Forscher:innen zu lesen waren, erteilten auch andere Speaker:innen ebenso deutliche Absagen wie dem Ruf nach Regulierung – die gibt es nämlich zumindest in Europa schon. Allerdings ist der AI-Act der EU noch in den Trilog-Verhandlungen und enthält nach Auffassung von Björn Ommer, Mitentwickler der offenen Bild-KI Stable Diffusion, noch eine Menge Graubereiche. Außerdem wird KI weltweit weiterentwickelt, sodass uns rein europäische Regulierungen kaum weiterhelfen. Seine Forderungen lauten daher zum einen Transparenz – „Wer will eine Blackbox bei Medizin oder im Flugzeug?“ – und Bildung. Denn letzteres ist die notwendige Voraussetzung, um die Ergebnisse der KI beurteilen zu können.

rp23 - Was sollte aus dem Sortiment genommen werden
Mitmach-Aktion rund um Cash! bei der #rp23: Was sollte aus dem Sortiment genommen werden?
(Foto: Andreas Büsch)

Politische Prominenz

Analog zur gesellschaftlichen Relevanz der verhandelten Themen war auch die Politiker:innen-Dichte wieder relativ hoch. Nachdem im letzten Jahr unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz zu Gast war, waren in diesem Jahr mit Volker Wissing, Christian Linder und Robert Habeck gleich drei Bundesminister zu Talk-Runden auf der #rp23. Während ersterer im Gespräch mit re:publica-Mitgründer Markus Beckedahl wortreich darzustellen versuchte, dass die Digitalstrategie der Bundesregierung vorankommt, wurde zweiterer für sein Festhalten an Kürzungsplänen ausgebuht. Hingegen erhielt Wirtschaftsminister Habeck im Gespräch mit Johnny Häusler für seine ehrliche Bestandsaufnahme von Defiziten in der ökologischen Wende sowie sein Ringen um eine positive Aufmerksamkeitsökonomie – „Wollen wir Geschichten des Scheiterns erzählen oder wollen wir einen guten Beitrag leisten?“ – reichlich Applaus.

Die re:publica24 findet vom 27. bis 29. Mai 2024 nach zwei Jahren in der Arena Berlin wieder in der Station Lounge am Gleisdreieck statt. Die Organisator:innen benannten als Grund dafür unter anderem den Wunsch nach mehr größeren, akustisch voneinander getrennten Räumen. Wünschenswert wäre außerdem, dass die Räume für Austausch und Workshops ebenfalls mehr Platz erhalten, denn die waren bei der #rp23 häufig überfüllt und akustisch schwierig. Interessant wird darüber hinaus zu beobachten sein, wie sich die re:publica weiter verändert. Denn die Breite der dort verhandelten Themen ist der gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet. Das zunehmend generationenübergreifende Publikum zeigt die Akzeptanz der Veranstaltung. Damit stellt sich aber auch die Frage der Finanzierung wieder neu; mehr Veranstaltungen seitens der (geldgebenden) Partner waren schon diesmal zu verzeichnen. Bleibt zu hoffen, dass die hohe Professionalität der Organisation und Durchführung bei einer durchweg angenehmen, wertschätzenden und freundlichen Atmosphäre auch bei einem weiteren Anwachsen erhalten bleibt.

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