Das Spiel mit der Identität

Kinder mit Smartphones (Symbolbild für das Thema Identität vor dem Hintergrund von Social Media)
Foto: Picture Factory – Fotolia.com

Soziale Netzwerke spielen bei der Herausbildung des „Ichs“ eine wichtige Rolle

Dass Jugendliche ihre Grenzen testen und gelegentlich überschreiten, sich von der Erwachsenengeneration abgrenzen und so manche „Jugendsünde“ begehen, ist nichts Neues. Das alles gehört zur zentralen Herausforderung der Pubertät, der Identitätsfindung, dazu. Doch die mediale Umwelt, in der Jugendliche heute aufwachsen, unterscheidet sich gravierend von der vorangegangener Generationen. Welche Rolle spielen Medien bei der Suche nach der eigenen Identität? Wie wird die Jugendphase durch das Social Web verändert? Warum üben WhatsApp, Snapchat und YouTube gerade auf Jugendliche einen so großen Reiz aus?

Menschen wollen vernetzt sein

Um diesen Fragen nachgehen zu können, ist es hilfreich, zunächst in den Blick zu nehmen, wodurch sich die Jugendphase auszeichnet. Seit jeher ist es ein menschliches Grundbedürfnis, mit anderen zu kommunizieren und sich so mit ihnen zu „vernetzen“, sich verbunden und zugehörig zu fühlen. Denn der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen und in dieser Gemeinschaft bildet er seine Identität. Ganz allgemein gesprochen ist Identität die Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“. Da aber niemand auf einer einsamen Insel lebt, geht die Frage noch weiter: Wer bin ich im Verhältnis zu anderen? Wo ist mein Platz in der Welt?

Das Ziel ist es, eigene Erfahrungen und Wünsche mit Erwartungen, die Mitmenschen an uns herantragen, in Einklang zu bringen. Zwar handelt es sich dabei um einen lebenslangen Prozess, besondere Bedeutung hat die Frage nach dem eigenen Ich jedoch im Jugendalter. In dieser Phase muss sich der Heranwachsende zum ersten Mal mit Lebensentwürfen auseinandersetzen und sich über sein Selbst bewusst werden. Die Identitätsbildung wird so zur zentralen Herausforderung des Jugendalters. Dazu zählt die Ablösung vom Elternhaus und die eigenständige Aufnahme und Gestaltung von Freundschaften. Vorbilder und Identifikationen, die für den Prozess der Identitätsbildung notwendig sind, finden Jugendliche sowohl in ihrem direkten Umfeld, als auch in den Medien.

Medien als Orientierungsquelle und Erfahrungsraum

In Filmen und Büchern entdecken Jugendliche Themen wieder, die auch in ihrem eigenen Alltag eine Rolle spielen. Sie entdecken Handlungs- und Verhaltensmöglichkeiten, welche es im realen Leben auszutesten gilt. Medien bieten somit Orientierungsmöglichkeiten. Das Social Web umfasst durch seine Strukturen Möglichkeiten, die weit darüber hinausgehen. Das wichtigste Merkmal des Social Web ist, dass die Nutzer selbst Inhalte produzieren und online stellen können. Dadurch wird eigenes Handeln in und mit den Medien ermöglicht.

Besonders bei Jugendlichen stehen Dienste und Anwendungen des Social Web hoch im Kurs, da sie genau die altersbedingten Bedürfnisse von Heranwachsenden ansprechen: sich in Gruppen verorten und vernetzen zu können, mit Freunden zu kommunizieren und seine eigene Persönlichkeit individuell und kreativ darzustellen. Vor allem soziale Netzwerke werden genutzt, um verschiedene Identitätsfacetten auszuprobieren. Mittels eines Profils, dort eingestellten Inhalten und Kommentaren zu den Beiträgen anderer Nutzer, wird der eigenen Persönlichkeit Ausdruck verleihen. Nutzer haben dort die Möglichkeit, sich so zu präsentieren, wie sie von anderen gesehen werden möchten. Gleichzeitig können sie auch herausfinden, wie sie damit auf andere wirken. Medien werden somit sowohl für die Entwicklung, als auch für die Präsentation der eigenen Identität genutzt. Kommuniziert wird hauptsächlich mit Freunden, die den Jugendlichen auch aus der „Offline“-Welt bekannt sind.

Der besorgte Blick so mancher Erwachsener ist jedoch nicht ganz unbegründet. Denn mit den vielfältigen Möglichkeiten der Identitätsentwicklung und Kommunikation sind auch Schattenseiten verbunden. Einerseits funktioniert ein soziales Netzwerk nur, wenn die Personen dort auffindbar sind. Denn was nützt ein Profil, das nicht gefunden werden kann? Andererseits bedeutet dies die Freigabe persönlicher Informationen, wie zum Beispiel Klarname, Alter und Wohnort.  Die „Jugendsünden“ vorangegangener Generationen wurden jedoch nicht in einem Raum dokumentiert, der weltweit öffentlich ist. Im Internet hingegen wird dokumentiert und gespeichert. Durch das Teilen von Beiträgen kann sich so eine Eigendynamik entwickeln, die nicht mehr zu stoppen ist. Es bleibt nicht unter denen, die dabei waren.

Im Umgang mit sozialen Netzwerken ist deshalb ein vorausschauendes und reflexives Verhalten gefragt. Aufgabe von Eltern, Lehrern und Pädagogen ist es, die Heranwachsenden dabei zu unterstützen, sich über die längerfristigen Folgen ihres Handelns Gedanken zu machen – ohne jedoch die Nutzung per se zu verbieten. Zugleich ist es aber auch Aufgabe gesellschaftlicher Akteure, Anbieter sozialer Netzwerke in die Verantwortung zu nehmen.

Zum Video „Soziale Netzwerke“ aus der Serie „…und es hat Klick gemacht“

Autorin: Julia Menz, Mitarbeiterin der Clearingstelle Medienkompetenz

Weiterführende Materialien:

Jan-Hinrik Schmidt, Ingrid Paus-Hasebrink, Uwe Hasebrink (Hrsg.): Heranwachsen mit dem Social Web:

Zur Rolle von Web 2.0-Angeboten im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Eine Übersicht zu pädagogischen Materialien zu dem Thema finden Sie auf mekomat.de

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