Liebe Leserinnen und Leser,
ich weiß nicht, ob Sie das in dem aktuellen Hype um Künstliche Intelligenz (KI), den ChatGPT ausgelöst hat, mitbekommen haben: Eine lange Liste fachlich renommierter oder anderweitig prominenter Menschen forderte Ende März in einem offenen Brief einen sechsmonatigen Entwicklungsstopp für KI. Unter den ersten der mittlerweile über 27.000 Unterzeichner:innen fallen nach den fachlich anerkannten Informatikern Yoshua Bengio und Stuar Russell sofort die nächsten beiden Personen auf. Da wäre zunächst Elon Musk, der – getreu dem Motto „bad news is better than no news“ – mit seinem „Umbau“ des Kurznachrichtendienstes Twitter seit Monaten nicht aus den Schlagzeilen herausfindet. Er gehörte interessanterweise 2015 zu den Mitgründern von OpenAI, den Machern von ChatGPT, hat die Firma aber 2018 nach einem gescheiterten Übernahmeversuch verlassen und nun vor wenigen Wochen ein konkurrierendes Unternehmen namens X AI Corp gegründet. Da wird die Nachfrage erlaubt sein, mit welcher Glaubwürdigkeit seine Forderung eines Moratoriums für KI-Entwicklung daherkommen soll.
Ähnlich Yuval Harari, der wie andere Autor:innen in seinen Büchern gerne Untergangsszenarien entwirft. Das ist für sich genommen weder besonders innovativ noch besonders aufregend. Denn die Idee von Maschinen, die ein Bewusstsein erlangen und den Menschen irgendwann als das eigentliche Problem erkennen und dann an seiner Beseitigung (mit-)arbeiten, ist in der Geschichte der Science-Fiction-Literatur wie -Filme bis hin zu ethischen Gedankenspielen durchaus bekannt.
Ärgerlich ist daran allerdings, dass die bestehenden Überlegungen, ob und wie die Entwicklung von KI zu reglementieren sei, schlicht ignoriert werden. Die EU arbeitet seit 2019 an einem AI Act genannten Gesetz zur Regulierung von KI. Zunächst hat die Kommission dazu Vorschläge für ethische Leitlinien auf den Weg gebracht; der Ministerrat hat Ende 2022 einen Kompromissvorschlag zur Regulierung verabschiedet, der nun allerdings noch im Parlament beraten werden muss und daher absehbar noch Zeit braucht.
Ärgerlich ist dieser offene Brief auch insofern, als die inhaltlichen Punkte in der Debatte längst auf dem Tisch liegen: Wie kann ein Vorrang menschlichen Handelns und menschlicher Aufsicht tatsächlich realisiert werden? Wenn doch die Systeme genau dazu eingesetzt werden, den tendenziell in der Aufnahme und Verarbeitung großer Informationsmengen überforderten Menschen zu unterstützen? Wie können Datenschutz, Datensicherheit und auch Urheberrecht gewahrt bleiben, wenn doch große Menge von Trainingsdaten unerlässlich für die Entwicklung von KI-Systemen sind? Wie kann mit den sozialen und ethischen Herausforderungen von KI konstruktiv umgegangen werden und welchen Beitrag können sie zur Lösung sozialer, ökonomischer und ökologischer Probleme leisten?
Das wären meines Erachtens einige der Fragen, die es zu diskutieren gilt. Und welche Konsequenzen sich daraus eigentlich für (Medien-)Bildung ergeben – vulgo: welche Kompetenzen für einen adäquaten Umgang mit KI zu vermitteln sind.
Zumindest für letzteres gibt es etliche fruchtbare Diskurse – die alle nicht von einem Verbot oder einem Moratorium fantasieren, sondern die wirklich spannenden Fragen für die Praxis angehen. Lassen Sie uns gerne dazu ins Gespräch kommen – z. B. am 8. Mai in der Akademie Rottenburg-Stuttgart.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Andreas Büsch
Leiter der Clearingstelle Medienkompetenz
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Themen und Termine
Für Kurzentschlossene: Dammbruch der KI? Was vom Hype um „chatGPT“ bleibt (08.05.2023 in Stuttgart)
Für den Themenabend zu Künstlicher Intelligenz und chatGPT in Stuttgart am 8. Mai sind für Kurzentschlossene noch Anmeldungen möglich. Die Referent:innen, Prof. Andreas Büsch, Dr. Monica Eggleston und Prof. Dr. Katharina Zweig, werden die gesellschaftlichen Herausforderungen hinter dem Hype freilegen.
Weitere Informationen und Anmeldelink …
Zu Gast im Podcast Spiritualität 9.0
Für die Episode mit dem Titel „Multiplikatoren, Musk und Mastodon“ spricht Claus Geißendörfer in seinem Podcast Spiritualität 9.0 mit Prof. Andreas Büsch über die Arbeit der Clearingstelle Medienkompetenz und verschiedene aktuelle Themen, u.a. die Chancen von Digitalisierung für Kirche sowie konkrete hilfreiche Tools für die Praxis.
Auch die digitale Demokratie braucht Demokraten
Im Rahmen der Fachtagung mepodi, die in diesem Jahr in der Vertretung des Landes Hessen in Berlin stattfand, ging es um Problemanzeigen und Bestandsaufnahmen, aber auch um Handlungsbedarfe und Praxis-Beispiele einer gelingenden politischen Bildung mit digitalen Medien.
Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis verliehen
Für ihr Buch „Völlig meschugge?!“ erhalten Andreas Steinhöfel und Melanie Garanin den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2023 der Deutschen Bischofskonferenz. Die Jury unter Vorsitz von Weihbischof Robert Brahm (Trier) hat das diesjährige Preisbuch aus 177 Titeln ausgewählt, die von 67 Verlagen eingereicht wurden.
Filmtipp
Aus unserem Archiv: Death by Design
Umweltbelastung und riesige Mengen an Elektroschrott sind die Schattenseiten unserer Technologien. Die Dokumentation Death by Design gibt Einblicke in chinesische Fabriken, große Müllhalden und Silicon-Valley-Unternehmen mit Hochglanzfassaden. Eine gute Gelegenheit, um anhand des Films über Themen wie Nachhaltigkeit zu sprechen.
mekomat des Monats
Bildrechte. Urheber und Nutzer – Wer darf was?
Was ist zu beachten, wenn man ein Bild aus dem Internet verwenden möchte? Die Fachstelle 5.MD – Medien und Digitalität widmet sich dem Thema Bildrechte. Sie klärt wichtige Begriffe und hilft dabei, mit Bildern rechtlich sicher umzugehen. Vor allem geht es um die Verwendung und Lizenzierung von Bildern sowie deren urheberrechtlichen Schutz.
Zertifikatskurs #mepps
Bewerbungsphase für #mepps23 läuft
Sie sind auf der Suche nach einer fundierten medienpädagogischen Aus- bzw. Fortbildung? Der Zertifikatskurs Medienpädagogische Praxis (#mepps) geht in diesem Jahr bereits in die neunte Runde. Die Bewerbungsphase für #mepps23 läuft bis zum 30. Juni 2023 – alle weiteren Infos sowie der Link zur Online-Bewerbung finden sich online.
Die KI und wir – digitales Alumni-Treffen
Worum geht es bei Künstlicher Intelligenz, wie funktioniert die Technik und wie können wir sie sinnvoll für uns und unsere Arbeit nutzen: Darum ging es beim Online-Alumni-Treffen. Der Abend war zugleich eine Premiere. Denn erstmals hatten Alumni selbst einen Austausch zwischen den jährlichen „offiziellen“ Alumni-Treffen im Oktober organisiert.
Kooperationspartner
mediendiskurs: Informationen gedruckt und online
Viermal im Jahr erscheint die Zeitschrift mediendiskurs, die von der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF) herausgegen wird. Neben den Heften, die sowohl gedruckt als auch online zur Verfügung stehen, enthält die Website ergänzende Materialien u.a. aus den Bereichen Jugendmedienschutz, Medienpolitik und Medienpädagogik.
Zur Website des mediendiskurs …
Datenschutz in der pädagogischen Arbeit: Wie schützen wir Kinder und Jugendliche? Online-Workshop am 19.05.23
Datenschutz kennt kein Mindestalter und gerade die personenbezogenen Daten von Kindern und Jugendlichen sind besonders sensibel. In einer Online-Fortbildungg am 23. Mai 2023 geht es um Gefahren im digitalen Raum und Lösungswege zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Der kostenlose Workshop richtet sich an pädagogische Fachkräfte.
Zur Anmeldung …
„Jahr der Kontraste“: Magazin zum JFF-Jahresbericht 2022
Eine Kurzfassung des Jahresberichts 2022 in Magazinformat bietet das JFF – Institut für Medienpödagogik in Forschung und Praxis. Die Miterabeiter:innen nehmen es als ein Jahr der Kontraste wahr: Neben globalen Herausforderungen war es ein Jahr mit KI-generierten Inhalten und dem Erstarken des Metaversums, aber auch vielen nostalgischen Augenblicken.
SWR Medienstark: Medienbildung für Alltag und Schule
Als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt gehört es zur Aufgabe des SWR, die freie Meinungsbildung in der Gesellschaft sicherzustellen. Dazu gehört ganz besonders die Medienbildung, denn sie ist zugleich Demokratiebildung. Die Angebote des SWR in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stellt eine Broschüre kompakt dar.
Fundstücke des Monats
upucate: digitale Unterrichtsvorbereitung für Lehrkräfte
Eine neue Plattform (open beta!) will Unterrichtsplanung mit KI-Unterstützung erleichtern: So lassen sich unter anderem geeignete OER-Materialien finden und für den eigenen Unterricht adaptieren, aber auch Aufgaben in einem System bearbeiten und analysieren. Hinter der Idee des digitalen Assistenten für Lehrkräfte steckt ein Startup aus Bayern.
Zur Plattform upucate … [Edit 19.09.24: Link entfernt, da Plattform nicht mehr verfügbar]
Plakat: Kinderrechte im digitalen Raum
Kinderrechte gelten auch im digitalen Raum, nicht erst seit der Allgemeinen Bemerkung des Kinderrechtsausschusses der Vereinten Nationen im Jahr 2021 dazu. Was genau darin steht, zeigt ein Poster der 5rights foundation im Comic-Stil und richtet sich damit vor allem an Kinder und Jugendliche. Das Plakat kann kostenlos heruntergeladen werden.
Quiz zu KI
Was verbirgt sich hinter dem Begriff Künstliche Intelligenz (KI) und was ist eigentlich gemeinwohlorientierte KI? In einem Quiz des Zentrums für vertrauenswürdige Künstliche Intelligenz (ZVKI) können Interessierte ihr Wissen rund um KI-Systeme in einem kurzen Quiz testen. Die Erklärungen verlinken weiterführende Informationen.
Bildnachweise Editorial: Angelika Kamlage | Themen und Termine: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay | Claus Geißendörfer | Andi Weiland, AKSB | Buchcover: Carlsen Verlag, Hintergrund: Deutsche Bischofskonferenz | Filmtipp: Screenshot aus dem Film Death by Design | mekomat: Fachstelle 5.MD – Medien und Digitalität | Zertifikatskurs: Bettina Berres und mepps21 | Cogniwerk (Screenshot) | Kooperationspartner: mediendiskurs (fsf), Ausschnitt aus Titelbild Ausgabe 103 | LFK (Screenshot) | JFF (Screenshot) | SWR (Screenshot) | Fundstücke: upucate (Screenshot) | 5rights foundation (Screenshot Plakat) | ZVKI