Tadelloses Wetter – wolkig, nicht zu warm –, eine gastfreundliche Stadt. Dazu eine clevere und informative Programm-App und eine tadellose Organisation. (Sofern es gelang, mit der Deutschen Bahn irgendwann doch noch den Zielbahnhof zu erreichen.) Beste Voraussetzungen also für einen gelingenden Katholikentag, der unter dem Motto „Leben teilen“ zum zweiten Mal seit 1964 in Stuttgart stattfand.
Unsere Verantwortung: Herausforderungen teilen
Unter dieser Überschrift stand die Arbeit des Themenbereichs 2, in dem auch die beiden Veranstaltungen der Clearingstelle Medienkompetenz angesiedelt waren. Dazu leiteten Prof. Andreas Büsch und Jeanine Wein am Donnerstag einen Workshop zum Thema Fake News. Unter dem Titel „Schau hin, was deine Kinder online machen: Was Eltern und Lehrer:innen wissen sollten“ ging es nach einer thematischen Einführung und Begriffsklärung dann praktisch zur Sache: Woran genau erkennt man eigentlich Fake News? Wo hört Satire auf und wo fängt die bewusste Irreführung an? Und anhand welcher Materialien lassen sich diese Fragen spielerisch mit verschiedenen Altersgruppen bearbeiten? Engagierte Teilnehmer:innen diskutierten die Ergebnisse und freuten sich, dass alle Materialien auf einer eigenen Website zur Verfügung gestellt wurden.
Am Freitag ging es dann gemeinsam mit Prof. Dr. Doris Aschenbrenner im zweiten Workshop um die Frage „Was macht der Algorithmus?“ Wiederum in spielerischer und interaktiver Form galt es herauszufinden, was ein Algorithmus überhaupt ist. Wie versteht ein Computer Bedingungen? Und wie „lernt“ eine Maschine – zum Beispiel Gesichter von Cookies oder gezeichnete Monde von Fröschen zu unterscheiden? Auch zu diesem Workshop stehen alle Materialien und Links online in einem Etherpad zur Verfügung.
Thematische Arbeit, Gottesdienste und Begegnungen
Die beiden anderen Themenbereiche waren überschrieben mit „Unser Glaube: Hoffnung teilen“ und „Unsere Zukunft: Chancen teilen“. Neben der Arbeit in Podien und Workshops dort waren es vor allem die Stände von Verbänden, Initiativen und (Erz-)Diözesen auf der Kirchenmeile, die zu Begegnung und Gespräch einluden. Unser persönliches Highlight war die Aktion „Paradeis – Made in Heaven“, mit der das Erzbistum Berlin sehr schmackhaft zum Nachdenken anregt. Überhaupt sind es die zahlreichen Begegnungen und Wiedersehen, die für viele Aktive einen Katholikentag ausmachen. Diese und andere gelungene interaktive Angebote zeigen, wie es möglich ist, Themen bis hin zu Glaubensfragen ansprechend zu vermitteln. Leider war auch das Gegenteil wieder häufig zu beobachten: Drei Menschen Standbesetzung, die sich im hinteren Teil des Zeltes mehr oder minder erwartungsfroh hinter ihren Materialien aufhielten.
Keine überfüllten Veranstaltungen
Im Gegensatz zu den letzten Katholiken- und Kirchentagen war es problemlos möglich, auch in prominent besetzten Veranstaltungen noch Platz zu finden. Dabei hatten die Verantwortlichen zahlreiche Veranstaltungen schon im Vorfeld abgesagt, da die Anmeldezahlen absehbar nicht den Erwartungen entsprachen. Und so waren denn unter den nicht einmal 20.000 Teilnehmenden mit Dauerkarten die 7.000 Mitwirkenden – alle Helferinnen und Helfer mitgerechnet – die zahlenmäßig größte Gruppe.
Wer dagegen auffallend fehlte, waren Jugendliche und junge Erwachsene – seit 1978 eine Hauptzielgruppe beim Katholikentag. Dass dafür vor allem Corona und die Angst vor Großveranstaltungen ein Grund war, ist zweifelsfrei richtig. Aber dass es der einzige Grund gewesen sein soll, hält einer näheren Überprüfung vermutlich nicht stand. Offensichtlich wirkt sich die Frage, inwiefern die katholische Kirche überhaupt reform- und zukunftsfähig ist, auch auf Veranstaltungen wie einen Katholikentag aus, die die Chance bieten, konzentriert gesellschaftlich und kirchlich relevante Fragen zu diskutieren.
Anfrage und Zuspruch
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier brachte es in seiner Rede am Eröffnungsabend auf den Punkt: „Umso mehr möchte ich all jene ermutigen, die sich tatkräftig für die Erneuerung der katholischen Kirche in Deutschland einsetzen. Ich darf Ihnen sagen, dass nicht nur ich, sondern viele Menschen mit Neugier und mit Erwartung auf die Arbeit des Synodalen Weges schauen. … Natürlich, was dort gedacht, gesagt und beschlossen wird, das geht zuallererst die katholische Kirche selbst an. Und doch wird es auch von den Ergebnissen dort abhängen, welche Rolle die Kirche und die Christen in Zukunft in unserer Gesellschaft spielen.
Ob es sich lohnt, wieder neu auf sie zu hören, oder ob manche, die enttäuscht sind, enttäuscht bleiben. Das Wort und das Zeugnis der Kirchen soll aus meiner Sicht dabei nicht das wiederholen, was in der Gesellschaft ohnehin schon gesagt wird. Orientierung können Christinnen und Christen nur gewinnen und geben, wenn sie sich auf ihr Eigenes besinnen, auf das, was nicht aus den Plausibilitäten abgeleitet werden kann, die gerade aktuell sind.“
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