Liebe Leserinnen und Leser,
Sommerloch? Welches Sommerloch? Wir müssen (leider) mal wieder über Plattformen sprechen. Das Szenario scheint dem Drehbuch einer drittklassigen Vorabendserie entlehnt: Mark Zuckerberg beklagt sich in einem offenen Brief über die Regierung Biden und wirft ihr Zensur und Eingriffe in die Meinungsfreiheit während der Corona-Pandemie vor. Ausgerechnet Elon Musk applaudiert und sieht darin eine Verletzung des ersten Zusatzartikels zur amerikanischen Verfassung. So weit, so dienlich für die Republikaner und konservative Kreise.
Wenige Tage zuvor wird der Telegram-Gründer und -Chef Pavel Durov am Flughafen Bourget in Paris festgenommen. Einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft ist eine Reihe von 12 Straftatbeständen zu entnehmen, die ihm vorgeworfen werden, darunter der Betrieb einer Plattform, die organisierte Kriminalität ebenso unterstützt wie Kinderpornographie, aber auch nicht angemeldeter Einsatz einer kryptologischen Technologie – womit das bisschen Verschlüsselung, das Telegram-Nutzer:innen zur Verfügung steht, gemeint ist – sowie Verweigerung der Kommunikation und Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen.
Dass Telegram ein Hort für Verschwörungsideologen und Rechtsradikale geworden ist, steht außer Zweifel. Dass die Plattform noch schwerer zu greifen ist als Meta oder X ebenfalls. Und dass Telegram versucht, sich den Auflagen des DSA (Digital Services Act; Digitale-Dienste-Gesetz) zu entziehen und seinen Auskunfts- und Löschverpflichtungen nicht nachkommt, ist genauso bekannt.
Aber, so fragt Anna Biselli auf Netzpolitik.org, ist diese Verhaftung wirklich mehr als „Symbolaktionismus“? Bringt sie Durov nicht eher in eine Opferrolle, sodass er sich – wie die Herren Musk und Zuckerberg – als Vorkämpfer für eine absolute (und damit komplett von Verantwortung entkoppelte) Meinungsfreiheit inszenieren kann? Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Unser Grundgesetz besagt etwas anderes und kennt sehr wohl Schranken der Meinungsfreiheit. Dass diese so weit wie möglich gefasst sein müssen, um dem grundgesetzlichen Zensurverbot (Art 5 (1) GG) zu genügen, ist theoretisch klar, praktisch aber immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. (Und nein: Nicht jedes Urteil gefällt mir, wenn es z. B. Anhängern rechtsradikaler Parteien gelingt, die Grenzen des Sagbaren wieder ein Stück zu verschieben.)
Es bleibt dabei: Zur Freiheit gehört Verantwortung. Das gilt für Nutzer:innen digitaler Dienste und erst recht für deren Anbieter. Und um letztere zur Verantwortung ziehen zu können, gibt es mit dem DSA zur Plattformregulierung eine einschlägige Rechtsgrundlage.
Herzliche Grüße
Prof. Andreas Büsch
Leiter der Clearingstelle Medienkompetenz
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Themen und Termine
Sommerzeit – Urlaubszeit? Vorbereitungszeit!
Unsere kleine Pause im Sommer haben wir selbstverständlich zur Erholung genutzt. Im Übrigen laufen schon wieder Absprachen und Vorbereitungen für zahlreiche Tagungen, Workshops und Vorträge im Herbst und Winter. Und auch unsere Service-Angebote werden laufend ergänzt – was auch einen kleinen Anlass zur Freude bei mekomat (s.u.) umfasst.
Digitale Themen im Religionsunterricht
Im Juli konnten wir die Veröffentlichung sowohl der Broschüre für Lehrkräfte als auch des Schülerarbeitsheftes verkünden. Die beiden Hauptautoren haben dazu eine Schulung für Lehrkräfte entwickelt, die neben Grundlagen einer „digitalen Didaktik“ vor allem die praktische Arbeit mit den angebotenen Inhalten vermittelt. Anfragen gerne per Mail!
Politische Medienbildung
Das Thema ist nicht nur (u.a.) Gegenstand einer Fachtagung von GMK und BpB sowie des Alumni-Treffens (siehe letzter Newsletter; beide ausgebucht). Für die GMK hat die Clearingstelle Medienkompetenz an der Erarbeitung eines Positionspapiers dazu mitgearbeitet, das in Kürze vom Vorstand verabschiedet und veröffentlicht wird.
Filmtipp
Matrix
Auch 25 Jahre nach dem Kinostart hat der Film Matrix kaum an Aktualität und Relevanz verloren. In erster Linie dreht er sich um das Thema KI, das heute in aller Munde ist. Matrix beschreibt eine Dystopie, wie sie sich einige Menschen wirklich vorstellen: Die echte Welt ist zerfallen, nachdem die Menschen einen Krieg gegen die KI verloren haben.
mekomat
Kompass für gelingende politische Medienbildung
Die GMK und medialepfade.org legen mit dem Kompass für gelingende politische Medienbildung gegen Hass im Netz eine Orientierungshilfe für pädagogische Fachkräfte vor, die wertvolle Unterstützung bei der Konzeption und Durchführung entsprechender Medienbildungsprojekte bietet.
1000. mekomat veröffentlicht!
Ein bisschen stolz sind wir schon: Mit dem oben beschriebenen mekomat des Monats September haben wir die 1000 voll! Seit Februar 2015 haben wir in jeder Woche – Ferien und Feiertage ausgenommen – mindestens zwei empfehlenswerte medienpädagogische Materialien recherchiert und für Sie rezensiert. Sie finden sie alle in unserer Datenbank.
Zertifikatskurs #mepps
Kursstart #mepps24
Mit einem Onlineprolog startet am 11. September der 10. Durchgang unserer Fortbildung Medienpädagogische Praxis. Die Teilnehmenden beginnen damit ihre neunmonatige Blended Learning-Fortbildung, die teils online, teils im KSI in Siegburg stattfindet. Wie bereits bei der letzten Runde wird auch dieses Mal das Thema KI eine große Rolle spielen.
Alumni-Treffen 2024 ausgebucht
Wir freuen uns sehr über die zahlreichen Anmeldungen zu unserem Alumni-Treffen vom 25. bis 27. Oktober in Siegburg. Die Treffen haben sich als großartige Gelegenheit zum Weiterbilden und Netzwerken bewährt. Alle Plätze konnten vergeben werden, aber erfahrungsgemäß tritt immer wieder jemand zurück. Probieren Sie es gerne mit der Warteliste.
Kooperationspartner
GMK – Fachtag Bildung gegen Hass im Netz und Desinformation
Jugendliche informieren sich über Politik im Internet und in sozialen Medien. Allerdings sind digitale Räume gerade im Superwahljahr 2024 hasserfüllten und undemokratischen Angriffen ausgesetzt. Welchen Beitrag können politische Bildung und Medienpädagogik leisten, um ihnen entgegenzutreten? Das ist Thema der Fachtagung am 6. November in Dresden.
BpB – Werkstattgespräch Verschwörungserzählung
Verschwörungserzählungen basieren zum Teil auf uralten Geschichten. Was verbindet sie? Wie geht man mit Menschen um, die daran glauben? Die Publizistin Katharina Nocun analysiert gängige Narrative. Richtig gut, finden wir. Zudem sind Unterrichtsimpulse, Artikel, Bücher und bpb-geförderte Spiele zum Thema verlinkt.
GAmM – Körperbilder bei Jugendlichen
Wir leben in einer von Selbstoptimierung geprägten Gesellschaft. Gerade junge Menschen orientieren sich an Bildern in Sozialen Medien und bewegen sich zwischen Unzufriedenheit und Selbstakzeptanz. Prof. Dagmar Hoffmann von der Uni Siegen spricht über Schönheits- und Körperbilder in Medien und ihren Einfluss auf junge Menschen.
klicksafe – Handyverbot an Schulen?
Mit jedem neuen Schuljahr taucht auch die Diskussion um ein generelles Smartphoneverbot an Schulen wieder auf. In einigen europäischen Ländern gibt es das bereits. Die Smartphonenutzung kann aber auch sinnvoll im Schulalltag geregelt und mit gezielter Aufklärung über digitale Medien kombiniert werden. klicksafe gibt wertvolle Tipps für Schulen.
Tool des Monats
Book Creator
Der einfach zu bedienende Book Creator ist sowohl als App als auch als Online-Plattform verfügbar. Texte, Bilder, Audios, Videos und andere Elemente können in einem digitalen Buch kombiniert werden. Der Book Creator eignet sich für die Kita und alle Schulformen und Fächer sowie für die Jugendarbeit. 40 Bücher können kostenlos erstellt werden.
Fundstücke
Die Sache mit dem Sortier-Algorithmus
Algorithmen sind der zentrale Baustein der Digitalisierung und Sortier-Algorithmen gehören zu den häufigsten. Um zu verstehen, wie Algorithmen funktionieren und dass es nicht den einen Algorithmus für unterschiedliche Problemstellungen gibt, lassen sich auf der Website acht Sortier-Algorithmen durchspielen, jeweils mit entsprechenden Erläuterungen.
KI-generierte Texte und Bilder erkennen
Was steckt hinter generativer KI und wie kann man sie erkennen? Wie kann verantwortungsvolle Nutzung von KI gelingen und welche Tools helfen, KI generierte Inhalte von menschlichen zu unterscheiden? Der Artikel im Medienradar gibt konkrete Hilfestellungen und trägt dazu bei, die Verbreitung von Fehlinformationen einzudämmen.
Textgenerierende KI verstehen
Mit SoekiaGPT kann man hinter die Kulissen eines Sprachmodells schauen und damit die wichtigsten Grundprinzipien von Textgeneratoren wie z. B. ChatGPT kennenlernen. Einzelne Schritte eines Sprachmodells können durchgespielt und verschieden Parameter selbst eingestellt werden. Die Seite enthält auch eine Handreichung für Lehrpersonal.
Ich brauch‘ mal schnell einen Avatar …
Mit dem Open Source Tool Color Avatar kann man schöne bunte Avatare per Zufall oder gezielt erstellen. Zahlreiche Gesichtsformen, -farben, -ausdrücke, Frisuren und Accessoires stehen dabei zur Auswahl. Vor allem lassen sie sich auch in großer Stückzahl herunterladen, was toll ist z. B. für die Bebilderung eigener Materialien, Rollenkarten oder ähnliches.
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