Rückblick auf den Thementag im Haus am Dom in Frankfurt/Main
Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft und stellt uns in den verschiedensten Bereichen vor Herausforderungen. Auch die Kirche darf hier nicht außen vor bleiben, muss und kann jedoch viel mehr zur Debatte beisteuern als eine reine sozial- oder medienethische Positionierung oder medienpädagogische Angebote, worauf der Beitrag von Kirche oft enggeführt wird. Doch wie kann eine Theologie des Digitalen aussehen?
Zu dieser Diskussion hat die Tagung „Skizzen einer Theologie des Digitalen“ am Samstag, 3. November 2018, im Haus am Dom – Akademie der Diözese Limburg – einen Beitrag geleistet. In vier Panels bestehend aus Vorträgen und rückte sie die theologische Reflexion in den Mittelpunkt und unternahm erste Annährungen an ein komplexes Thema.
Nach einer Begrüßung durch den Direktor des Hauses am Dom, den Theologen und Philosophen Prof. Dr. Joachim Valentin, beleuchten Prof. Andreas Büsch von der Clearingstelle Medienkompetenz an der Katholischen Hochschule Mainz und Kerstin Heinemann vom JFF in München das „Geschöpf im Netz“ aus unterschiedlichen Perspektiven. Prof. Andreas Büsch sieht in der Digitalität generative und herausfordernde Potenziale für Philosophie und Theologie – und zwar nicht nur ex negativo. Beispielsweise könnte Kirche durch Übergang zu einer prinzipiell dialogischen Kommunikation wirklich zu sich kommen und communio verwirklichen (vgl. Andreas Büsch, Kommunikation im 21. Jahrhundert (2013), S. 26). Gleichzeitig zeigt er offene Fragen auf und fordert eine neue (netz-)politische Theologie.
In einer Replik auf diesen theologischen Auftakt fragt Kerstin Heinemann, was Menschen eigentlich im Netz machen. Antwort: Sich in der Welt orientieren, an der Welt teilhaben – und die eigene Identität inszenieren. Genau wie außerhalb des Netzes auch. Ist eine Trennung der verschiedenen „Welten“ daher noch angebracht?
Die anschließende Diskussion der beiden mit dem Plenum zeigte u.a. auf, dass auch gewohnte Denkmuster und -modelle zur Disposition stehen: Unsere Denken und Reden über das Subjekt ist immer noch von metaphysischen Vorstellungen bestimmt, das partiell im Widerspruch zum modernen Bild des Geschöpfs in der Digitalisierung steht.
In Panel 2 nehmen Prof. Dr. Wolfgang Beck von der PTH St. Georgen in Frankfurt und die Journalistin Julia Krüger aus Köln die Kirche in den Blick. Befindet sich Kirche im Abseits? Wenn ja: Muss sie da, an den Rändern, nicht vielleicht sogar sein – ganz im Sinne von Papst Franziskus? Oder – konkreter: Vor welchen Herausforderungen steht Kirche, wenn die Digitalisierung die Gesellschaft verändert? Prof. Dr. Wolfgang Beck spricht hier von einer „Kultur der Digitalität“. Dezentralität, eine Entmonopolisierung von Kontrollmechanismen und eine Steigerung der Partizipationsmöglichkeiten sind beispielhafte Phänomene dieses Wandels. Und die betreffen eben nicht nur die Gesellschaft, sondern stellen auch religiöse Autoritäten und bisherige Strukturen in Frage.
Der Titel des Vortrags von Prof. Dr. Bernd Trocholepczy in Panel 3 lautete: „Gott im Zentraum – von Allmachts- und Unsterblichkeitsfantasien im Netz“. Menschen sind sterblich – doch wie ist das mit einer Künstlichen Intelligenz? Prof. Trocholepczy blickt zurück auf Martin Heidegger, der im Jahr 1955 die Frage nach der Stellung des Menschen in der Welt und zur Welt betrachtete, insbesondere vor den Auswirkungen, die die Technik (damals vor allem die Atomkraft) mit sich brachte. Er plädierte für eine Gelassenheit gegenüber den Dingen und eine Offenheit gegenüber dem Geheimnis. Angeknüpft wird die Frage, inwiefern diese Position auch heute noch Bestand haben kann.
Im abschließenden Panel 4 diskutierten Kerstin Heinemann, JFF, die Bloggerin Mara Fessmann und die Journalistin Julia Krüger mit dem Journalisten Joachim Frank, Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP), über die Präsenz der Kirche in der „netcommunity“. Was kann Kirche von der Digitalisierung lernen und was muss sie vor dem Hintergrund der Digitalisierung auch lernen? Aber auch die umgekehrte Perspektive kam zur Sprache: Welches Wissen hat die Kirche, das nutzbar sein kann für die Menschen? Was können die Religionen in die Entwicklung einbringen, wenn sie Menschen nicht-normativ begleiten wollen?
Und was bedeutet es für die wissenschaftliche Theologie, wenn sie entmonopolisiert wird, weil z.B. in Social Media „Laien“ theologisieren? Fest steht: Die Dezentralisierung und – zumindest intendierte – Enthierarchisierung in digitaler Kommunikation ist eine gewaltige Herausforderung, aber auch eine Chance für Kirche. Es gibt also viel zu tun. Dabei ist es höchst erfreulich, dass alle Vortragenden wie Teilnehmenden unabhängig von eigener religiöser Überzeugung der Kirche eine wesentliche Rolle in der Digitalisierung zutrauen. Dabei ist Ethik eben nicht das bzw. nicht nur das, was die Religionen und die Kirche einbringen müssen.
Die Tagung leistete einen ersten wichtigen Beitrag zur Diskussion, die auf jeden Fall weitergeführt werden sollte.
Veranstalter der Tagung war der Arbeitskreis Medien Rhein-Main, ein Zusammenschluss von AkteurInnen in der Region, zu dem unter anderem die Akademie Haus am Dom, die Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz an der Katholischen Hochschule Mainz, die Hochschule der Jesuiten Frankfurt St. Georgen und die Goethe-Universität Frankfurt, kirche.tv sowie die Medienbeauftragten der Bistümer und Landeskirchen der Region gehören. Ziel des Arbeitskreises ist die Austausch über die verschiedenen Facetten kirchlicher Medienarbeit und die Unterstützung theologischer Reflexion angesichts der Digitalisierung.