Wer kennt das nicht – Werbe-Cookies? Ablehnen, klar … nur: Wo ist der richtige Button dafür? Und wieso muss ich den Haken bei „Zustimmung“ erst wegklicken, um nicht mit Werbemails zugespammt zu werden? Gelegentlich sind gesuchte Auswahlmöglichkeiten auch raffiniert versteckt. Oder ein Abonnement für einen Einkauf ist voreingestellt – statt einer einzelnen Lieferung. Das alles fällt in den Bereich der Dark Patterns, mit denen Betreiber von Webseiten und Apps User:innen manipulieren wollen. Wie das geht und was Nutzer:innen dagegen machen können, beschreibt unser Beitrag.
„Unter Dark Patterns werden alle Designmuster zusammengefasst, die Nutzer:innen zu einem bestimmten Verhalten verleiten, das ihren Interessen widerspricht.“ (Harry Brignull) Dabei nutzen Designer:innen von Websites oder Games ihre Gestaltungsmacht einseitig aus, indem sie zum Beispiel durch optische Gestaltung die Aufmerksamkeit von Nutzer:innen führen. Das Konzept ist vor allem aus den Bereichen Onlineshopping und Marketing bekannt. Aber mittlerweile gibt es das auch in Spielen, vor allem in kostenlosen sogenannten Free2Play-Apps. Denn seit einiger Zeit werden in immer mehr Branchen Tricks eingesetzt, um die Nutzer:innen eines Angebots in deren Entscheidungen zu beeinflussen.
Cookies, die zu „Click Fatigue“ führen
Eine Plage, die alle Nutzer:innen von Webseiten kennen, sind die Cookie-Banner. Denn nicht erst mit dem Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (TTDSG), das am 1. Dezember 2021 in Kraft trat, müssen Betreiber von Webseiten ihre Besucher:innen darüber informieren, dass und wofür sie Cookies einsetzen. Der entsprechende Paragraf 25 verweist auf die EU-Verordnung 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, die seit April 2016 in Kraft ist. Demnach müssen Nutzer:innen eine Opt-in-Möglichkeit haben. Das heißt: Vor Besuch der Website müssen sie informiert zustimmen, dass und zu welchen Zwecken sie erlauben, dass Informationen über den Website-Besuch auf einem PC oder Smartphone gespeichert werden. Das kann durchaus sinnvoll sein, um im Laufe einer Online-Bestellung bis zur Dankeschön-Seite nach dem Bezahlen als Nutzer:in identifizierbar zu sein.
Allerdings möchten Website-Betreiber gern möglichst viel über ihre Besucher:innen wissen und dazu müssen sie dann auch Cookies speichern. Und damit dem möglichst viele Menschen auch zustimmen, ist das mit nur einem Mausklick erledigt. Wer dagegen nur technisch notwendige Cookies zulassen möchte, muss durch zahlreiche Menüs scrollen und auf mehreren Ebenen etliche Male klicken, bis das Ziel erreicht ist. Forscher:innen haben dieses Muster „Click Fatigue“ getauft. Denn Nutzer:innen werden bewusst mit unnützen Klicks ermüdet – damit sie möglichst jeder Datenverwendung zustimmen. Und spätestens wenn beim nächsten Besuch der gleichen Seite wieder eine Klick-Orgie ansteht, geben auch datenschutzbewusste Nutzer:innen schon mal auf.
Welches ist der richtige Knopf?
Auch die optische Gestaltung spielt eine große Rolle. So ist meist die Option mit dem geringsten Datenschutzniveau deutlich hervorgehoben. Dagegen ist der Knopf zum Ablehnen häufig nur grau. Dazu kommt dann gern auch eine inhaltliche Irreführung: Per Voreinstellung sind Marketing-Cookies deaktiviert. Wer aber nun flott auf den gut sichtbaren Button klickt, hebt diese Voreinstellung auf und stimmt allen Verwendungen zu.
Dabei kann auch die Positionierung der Buttons eine Rolle spielen. Wenn der „Zustimmen“-Knopf da zu finden ist, wo wir üblicherweise den „Ok“-Button erwarten, ist das gewünschte Ergebnis vorprogrammiert. Vor allem dann, wenn der „Ablehnen“-Button deutlich weniger prominent platziert ist, oder in kleinerer Schrift sogar ausgegraut ist. Vor allem letzteres ist ein beliebter Design-Trick, da dies üblicherweise anzeigt, dass eine Option nicht zur Verfügung steht.
Schließlich können auch die Beschriftungen der Optionen durchaus manipulativ sein. Statt „Ablehnen“ steht auf der Schaltfläche vielleicht „Ich möchte auf Vorteile und Rabatte verzichten“ – und wer will das schon? Auch für dieses Dark Pattern gibt es eine Bezeichnung: Confirm-Shaming, weil bei den Nutzer:innen Schuldgefühle durch entsprechende Formulierungen hervorgerufen werden sollen.
Oder Informationen werden gut versteckt, damit Nutzer:innen eine für sie vorteilhafte Option möglichst nicht wählen. Indem sie in unübersichtlichen Dialogen auftaucht, ausgegraut oder ganz aus dem Blickfeld gerückt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Option nicht gewählt wird.
Psychologische Tricks und unlauterer Wettbewerb
Weitere Dark Patterns arbeiten mit unterschwelligem Druck. So wird auf Marketing-Seiten häufig eingeblendet, dass ein Angebot nur noch begrenzt verfügbar sei – das coole Headset oder das günstige Hotelzimmer ist nur noch zweimal verfügbar. Durch entsprechende Einblendungen, häufig auch farblich hervorgehoben, wird suggeriert, sich schnell entscheiden zu müssen. Ein klarer Fall von Scarcity (künstlicher Verknappung). Umso größer die Überraschung, wenn am nächsten Tag auf der gleichen Seite die gleiche Menge vorhanden ist …
Oder es läuft ein gut sichtbarer Countdown mit: Dieses Angebot ist nur noch wenige Minuten verfügbar! Und wer will schon, dass das gewünschte Produkt einem „aus den Fingern gleitet“. Allerdings ist es gut möglich, dass auch dieses Druckmittel auf reiner Erfindung basiert. Den gleichen Effekt haben die Einblendungen einer (sinkenden) Zahl verfügbarer Produkte, vor allem bei Shopping-Websites. Hinzu kommt, dass anscheinend gerade viele Menschen das Produkt kaufen – also muss es ja gut sein.
Schließlich können so viele andere Käufer:innen, die gute Bewertungen abgegeben haben, sich ja nicht irren (Social Proof). Aber dass solche Rezensionen auch gekauft oder schlicht frei erfunden sein könnten, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben.
Was tun gegen Dark Patterns?
„Kleinteilige Vorschriften für jedes neue Dark Pattern auf den Weg zu bringen, ist sehr aufwendig, Automatismen werden durch immer neue Tricks ausgehebelt“ (Torsten Kleinz, 2022, S. 138). Ob ein generelles Verbot, wie es der Digital Services Act (DSA) der EU bringen soll, wirklich funktioniert, ist unter Fachleuten durchaus umstritten. Auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das 2017 in Kraft trat, sollte in sozialen Netzwerken Meldung rechtswidriger Inhalte ermöglichen. „Vereinzelt wurden Meldeformulare jedoch so designt, dass diese für Millionen von Nutzer:innen kaum auffindbar waren und das Regulierungsvorhaben dadurch an Wirkung verlor. Ähnliche Probleme könnten bei zukünftigen Regulierungsvorhaben relevant werden, die beispielsweise versuchen, Plattformen zu verpflichten, Algorithmen für Nutzer:innen nachvollziehbarer zu machen oder politische Werbung zu kennzeichnen“ (Rieger/Sinders 2020, S. 4).
Auch vereinzelt vorhandene Tools oder Browser-Erweiterungen sind kein Allheilmittel. Das Add-on „I don’t care about cookies“ zum Beispiel, das unter anderem für Firefox und Google Chrome verfügbar ist, filtert Cookies mit einer ähnlichen Technik wie Ad-Blocker aus. Allerdings weisen die Entwickler darauf hin, dass in einigen Fällen eine Zustimmung im Hintergrund nötig sein kann, damit eine Website noch funktioniert: „Falls nötig für die Funktion der Website, akzeptiert sie die Cookies-Richtlinie automatisch (dabei erlaubt sie manchmal entweder Cookies aller Art oder nur die unbedingt notwendigen – abhängig davon, was sich leichter umsetzen lässt).“ Es kann also sein, dass Nutzer:innen ohne ihr Wissen allen Datenverwendungen zustimmen und so das Gegenteil dessen erreichen, was sie wollten.
Medienkompetenz und Regulierung
Selbstverständlich ist es sinnvoll, wenn es ein öffentliches Bewusstsein für das Problem gibt. Und die Durchsetzung bestehender Gesetze sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Hilfreich dürfte auch sein, wenn in Behörden und öffentlichen Einrichtungen Expertise zu dem Thema aufgebaut wird. Dabei lässt sich von Daten- und Verbraucherschützer:innen lernen (vgl. Rieger/Sinders 2020, S. 30 f.). Wie in anderen Bereichen auch lässt sich aber auch das Thema Dark Patterns vermutlich nicht nur über Regulierung bearbeiten. Letztlich bedarf es eines geschärften Bewusstseins bei Nutzer:innen und Verbraucher:innen. Mit anderen Worten: Es braucht einen aufmerksamen und kompetenten Umgang mit den Möglichkeiten und Fallstricken digitaler Medien. Oder mit einem Wort: Medienkompetenz.
Weiterführende Literatur und Links
Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer (AöR): Dark Pattern Detection Project.
Sebastian Rieger & Caroline Sinders (2020): Dark Patterns: Design mit gesellschaftlichen Nebenwirkungen. Wie Regierungen und Regulierungsbehörden auf die Verbreitung problematischer Benutzeroberflächen reagieren können. Berlin: Stiftung Neue Verantwortung.
jugendschutz.net (2021): Report Dark Patterns. Zur Jugendschutzproblematik manipulativer Spieldesigns in Free2Play-Apps.
Torsten Kleinz (2021): Klicken Sie hier!!! Dark Patterns: Wenn die Website Sie manipuliert. c/t 1/2022, S. 136-139 (kostenpflichtig).
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