Blikk-Studie

Mutter und Kind bei der Smartphone-Nutzung (Symbolbild zur Blikk-Studie)
Bild: Antonioguillem – fotolia

Bewältigung, Lernverhalten, Intelligenz und Krankheiten

Am 29. Mai 2017 stellte die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler die Blikk-Studie „Kinder und Jugendliche im Umgang mit elektronischen Medien“ in Berlin vor. Die Studie ist Ergebnis des Projektes „BLIKK-Medien – Bewältigung, Lernverhalten, Intelligenz und Krankheiten“ des Instituts für Medizinökonomie und medizinische Versorgungsforschung (IMÖV) und des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ).

Ziel der Studie sollte es sein, nachweisbare Zusammenhänge zwischen den Mediennutzungszeiten und möglichen psychischen sowie physischen Auffälligkeiten im Rahmen der Früherkennungsuntersuchungen U3 bis J1 zu finden und auf deren Grundlage Beratungs-, Informations- und Interventionskonzepte zu entwickeln, die dann in einer Längsschnittstudie validiert werden sollten. Folgende Forschungsfragen sollten dazu anhand der Studie beantwortet werden:

  1. Wie lässt sich ein normaler oder ein erhöhter Mediengebrauch definieren?
  2. Welche Auswirkungen hat ein erhöhter Mediengebrauch auf die körperliche, geistige, soziale und schulische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen?
  3. Haben frühzeitige Beratungs- und Informationsgespräche einen positiven Einfluss auf das Medienverhalten von Familien, Kindern- und Jugendlichen?
  4. Welche Auswirkungen haben ein erhöhtes Medienverhalten und deren gesundheitlichen Folgen auf die Gesundheitsausgaben von morgen?

Zu diesem Zweck wurden innerhalb eines halben Jahres rund 5.600 Kinder durch teilnehmende Kinder- und Jugendärzte untersucht sowie deren Eltern zur Mediennutzung ihrer Kinder befragt. Ab der Früherkennungsuntersuchung J1 wurden die Fragen an die entsprechenden Jugendlichen persönlich gerichtet.

Laut der Studie nutzen circa 70% der Kinder im Kindergartenalter das Smartphone ihrer Eltern für mehr als eine halbe Stunde am Tag. Zudem ließen sich nach eigenen Aussagen einige Zusammenhänge zwischen der übermäßigen Mediennutzung und Entwicklungsstörungen bei den Kindern feststellen. So hatten Säuglinge Fütter- und Einschlafstörungen, wenn die Mutter parallel zur Beschäftigung mit dem Kind digitale Medien nutzte. Ältere Kinder litten verstärkt unter motorischer Hyperaktivität und Konzentrationsstörungen und zeigten Sprachentwicklungsstörungen nach täglichem Medienkonsum. Zudem wurde eine Korrelation zwischen der Mediennutzung und dem Adipositas-Risiko bestätigt.

Kritik an der Studie

Von medienpädagogischer Seite aus wurde die Blikk-Studie teils heftig kritisiert. Bis heute wurde die vollständige Studie seitens des IMÖV noch nicht veröffentlicht, sodass die vorgelegten Ergebnisse für Außenstehende nicht überprüfbar und nachvollziehbar sind. Aufgrund zahlreicher Rechtschreibfehler wurden sogar die Folien der ursprünglichen Pressekonferenz-Präsentation zwischenzeitlich von der Website entfernt.

Vor allem werden sowohl in der veröffentlichten Pressemitteilung als auch im zusammenfassenden Fact-Sheet die in der Studie ermittelten Korrelationen (einfache Zusammenhänge bzw. zufälliges gleichzeitiges Auftreten von Merkmalen) als Kausalketten (Ursache-Wirkungs-Folgen) vermittelt. Dabei wird völlig übersehen, dass die zugrundeliegenden Untersuchungen diesen Schluss nicht zulassen. So könnten beispielsweise die Fütter- und Einschlafstörungen bei Säuglingen, die im Fact-Sheet auf eine mangelnde Bindungserfahrung zwischen Mutter und Kind zurückgeführt werden, auch durch andere Ursachen als den Medienkonsum der Mutter bedingt sein. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, dass sich die Bindungsstörung ebenso in einem Szenario ohne jeglichen Medieneinfluss hätte entwickeln können.

Zudem wird im Vortrag zur Studie ein Leben völlig ohne Medien stark idealisiert. So wird suggeriert, dass wichtige Lebensbereiche wie Freundschaft, Abenteuer (im Sinne von Erfahrungen machen) oder Vertrauen, nur offline erlebt werden können. Der Einwand, dass solche Eindrücke auch mit und durch digitale Medien gewonnen werden können und dass gerade aus diesem Grund digitale Medien teilweise besonders beliebt seien bei Kindern, wird überhaupt nicht berücksichtigt.

Fazit

Die Blikk-Studie zeigt: Digitale Medien besitzen einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft und spielen deshalb auch schon im Alltag der Vorschulkinder eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund ist es – trotz der in der Studie behaupteten Risiken – unerlässlich, Kinder zu einer verantwortungsbewussten und reflektierten Mediennutzung zu erziehen und sie bei der Erkundung ihrer Welt, zu der auch digitale Medien gehören, zu begleiten. Es ist weniger das Ausmaß der Mediennutzung – das natürlich jeweils altersabhängig einen vernünftigen Rahmen nicht übersteigen sollte –, das die Entwicklung der Kinder hemmt, sondern die Art der Vermittlung und Nutzung von Medien gegenüber den Kindern.

Zu einem ähnlichen Fazit gelangt auch der Institutsleiter Prof. Dr. Riedl am Ende seiner Studie: „Als Fazit der Studie ergibt sich, dass der richtige Umgang mit den digitalen Medien, die durchaus einen berechtigt hohen Stellenwert in Beruf und Gesellschaft eingenommen haben, frühzeitig kontrolliert geübt werden soll. Dabei müssen soziale und ethische Werte wie Verantwortung, reale Kommunikation, Teamgeist und Freundschaft auf allen Ebenen der Erziehung gefördert werden. Kinder und junge Menschen sollen lernen, die Vorteile einer inzwischen globalen digitalen Welt zu nutzen, ohne dabei auf die Erlebnisse mit Freunden im Alltag zu verzichten.“ Die Bilder und Aussagen der Präsentation vermitteln allerdings ein weit weniger differenziertes Bild auf das ebenso wichtige wie komplexe Thema “Kinder und Medien”.

Weiterführende Informationsangebote:

Das Internet für 1- bis 11-Jährige: http://mekomat.de/das-internet-fuer-1-bis-11/

Mobile Geräte in Kinderhand: http://mekomat.de/mobile-geraete-in-kinderhand/

Kinder und Werbung – Tipps für die Medienerziehung: http://mekomat.de/themen/kindheit-und-medien/

A1 Internetguide für Kids: http://mekomat.de/a1-internet-guide-fuer-kids/

Zur Kritik an der Blikk-Studie siehe z.B. den Blogbeitrag von Beat Doebeli Honegger unter http://blog.doebe.li/Blog/KorelationStatKausalitaet

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