Liebe Leserinnen und Leser,
die guten Wünsche für das neue Jahr sind noch nicht ganz verhallt – manche Weihnachtspost kommt ja auch ganz ohne neues Postgesetz erst zwischen den Jahren oder gar nicht an – da muss ich doch feststellen, dass manches sich stets zu wiederholen scheint.
So hat der laut Verlagswerbung „ausgewiesene Experte für neuronale Netzwerke“ Manfred Spitzer (eigentlich ist er Neurowissenschaftler) wieder ein neues Buch auf den Markt gebracht. Denn auch er muss natürlich beim Thema KI mitreden.
Außerdem hat er das Ende November publizierte Manifest des Offenburger Medienwissenschaftlers – in den meisten Publikationen fälschlicherweise als „Medienpädagoge“ eingeführt – Ralf Lankau unterzeichnet. Und das hat erwartungsgemäß für einigen Wirbel gesorgt, fordert dieser doch nicht weniger als ein sofortiges Moratorium der Digitalisierung an Kitas und Schulen. (Moratorien zu fordern ist – siehe zuletzt KI – scheinbar angesagt.)
Warum die Forderung eines Moratoriums von Digitalisierung ebenso absurd wie unsinnig ist, wurde nun nochmals an verschiedenen Stellen von unterschiedlichen Autor:innen aufgezeigt. (Eigentlich müßig, sollte man meinen.) Welche handwerklichen Fehler in den Argumenten des Positionspapiers stecken, hat – wieder einmal – sehr differenziert Beat Döbeli-Honnegger aufgezeigt, der das Papier in seiner Sammlung von„Argumenten gegen das Digitale in der Schule“ einsortiert. Aber auch an ganz anderer Stelle, z.B. in der Fachzeitschrift c’t, wird die Realitätsferne der Forderungen kritisiert.
Was bleibt also von der Aufregung? Einerseits die Binsenweisheit, dass digitale Tools und Geräte keine Allheilmittel sind, sondern nur so gut oder schlecht wie die didaktischen Konzepte, anhand derer sie eingesetzt werden.
Andererseits bleibt ein unaufhebbares Dilemma: Zweifelsfrei haben Hersteller und Anbieter von Geräten und Diensten in einer – je nach Lesart kapitalistischen oder marktwirtschaftlichen – Wirtschaftsordnung ein Interesse und auch das Recht, ihre Produkte auf den Markt zu bringen. Und zu diesem Markt gehört eben auch der Bildungssektor, von der Kita über die Schule und Hochschule bis hin zur Erwachsenenbildung und Gerontagogik, wobei die ersteren den maximalen Zugriff auf die Zielgruppe ermöglichen. Dem gegenüber stehen verständliche Vorbehalte gegen das massive Eindringen von Firmen in einen (vermeintlichen) Schutzraum für Bildung und das damit verbundene „Anfixen“ der nachwachsenden Generation, nach dem Motto: „Wenn wir sie frühzeitig an unsere Hard- und Software gewöhnen, werden sie das später sicher auch nutzen wollen.“
Was also tun? Dass Wirtschaftsinteressen bei der Einführung digitaler Geräte an Schulen eine Rolle spielen, ist als Argument weder neu noch originell. Wenn aber Schule den Auftrag hat, Kinder und Jugendliche auf die Lebens- und Arbeitswelt vorzubereiten – und das findet sich so oder ähnlich in allen Schulgesetzen der Länder – macht eine völlige Abkehr von digitaler Transformation nicht nur keinen Sinn, sondern ist sogar kontraproduktiv. Polemiken helfen da ebenso wenig wie einseitige Auflösungen eines unaufhebbaren Dilemmas. Was es stattdessen bräuchte, hat u.a. die GMK in einer Stellungnahme formuliert: „eine vielschichtige, altersgerechte Medienbildung entlang der gesamten Bildungskette“ und eine entsprechende Qualifizierung von Pädagog:innen und Unterstützung von Erziehungsberechtigten.
Oder wie sehen Sie das?
Herzliche Grüße
Prof. Andreas Büsch
Leiter der Clearingstelle Medienkompetenz
P.S: Eine kleine Neuerung führen wir mit diesem Newsletter ein – als weitere Rubrik stellen wir unser Tool des Monats hier vor. Das ist jeweils ein digitales Tool, das uns überzeugt hat und spannende (didaktische und/oder medienpädagogische) Nutzungsmöglichkeiten verspricht.
Direkt zu den einzelnen Rubriken:
Themen und Termine
Online-Fortbildung
Im Auftrag des Erzbistums Freiburg hat die Clearingstelle Medienkompetenz eine Online-Qualifizierung für Mitarbeiter:innen religionspädagogischer Arbeitsstellen konzipiert. „Reli.Geht.Online“ ist das Motto eines Prologs und vier synchroner Veranstaltungen zu digitalen Tools, OER und anderen Themen mit Relevanz für die religionspädagogische Arbeit und Beratung.
Was lange währt … 
… wird am Ende tatsächlich sehr schön:
Im Auftrag des Vereins Internet ABC, in dem die Clearingstelle die katholische Kirche vertritt, wurde eine Arbeitshilfe für den Religionsunterricht in den Klassen 1 bis 6 erarbeitet. Es geht um die Themen Identität, Freundschaft, Datenschutz und Rechte im Netz. Die Schlusskorrekturen laufen – Ergebnis demnächst im mekomat!
Hier geht’s zum Internet ABC …
Politische Medienbildung
Für die Durchführung einer zweiten Fachtagung zur politischen Medienbildung hat sich eine Arbeitsgruppe konstituiert, in der der Leiter der Clearingstelle Medienkompetenz mitwirkt. Es wird u.a. darum gehen, wie die Ergebnisse der ersten Fachtagung im Jahr 2022 sowohl in der Politischen Bildung als auch in der Medienpädagogik greifbar werden können.
Zum Bericht über die erste Fachtagung …
Filmtipp
Aus unserem Archiv: Ich folge Dir
Anna trifft am Morgen im Zug auf Jesper. Sie hat ihn noch nie gesehen, aber es stellt sich heraus, dass er bereits alles über sie weiß. Er hat sie im Alltag und über soziale Medien beobachtet und sich sogar als falscher Freund einem ihrer Bekannten angedient, damit der Intimes über sie ausplaudert. Anna ist schockiert!
mekomat
Online sein mit Maß und Spaß
Auch wenn man Medien positiv bewertet, ist offensichtlich, dass viele Angebote in Social Media und Games so konzipiert sind, dass wir mehr Zeit damit verbringen als gut für uns wäre. Die Broschüre will gezielt computer- und internetbezogenen Störungen vorbeugen, wie sie seit 2022 auch in der internationalen Klassifizierung von Krankheiten (ICD 11) erfasst sind.
Zertifikatskurs Medienpädagogische Praxis
#mepps23: Mitten in der Onlinephase
Nachdem sich die Teilnehmenden des 9. Kursdurchgangs bei ihrem ersten Präsenztreffen in Siegburg im vergangenen November kennenlernen konnten, befinden sie sich aktuell mitten in der ersten Onlinephase. Auf dem Programm steht neben der Beschäftigung unter anderem mit medienpädagogische Studien die Vorbereitung für die Praxisprojekte.
#mepps24: Bemühen um Finanzierung läuft
Erfreulicherweise erreichen uns wieder viele Anfragen für eine Neuauflage des Kurses im Jahr 2024. Dies wäre dann der 10. Durchgang – und so ein Jubiläum spornt natürlich an. Allerdings ist die Finanzierung des stark bezuschussten Angebots für dieses Jahr noch nicht gesichert. Bis zur geplanten Ausschreibung Anfang März wird es dazu noch Gespräche geben müssen.
Alle Informationen zu #mepps …
Kooperationspartner
Tagung KIW24: Jetzt noch anmelden!
Die Tagung Kirche im Web geht vom 29. Februar bis zum 1. März 2024 in der Katholischen Akademie Bayern der Frage nach, wie KI die Kirche verändern wird. Neben Keynotes und Masterclasses gibt es erstmals parallel zum Online-Barcamp auch Exkursionen zu Institutionen und Unternehmen, die im Bereich KI und Medien tätig sind.
BpB schaltet Medienkompetenz-Datenbank ab
Seit Jahren hat die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) eine Datenbank gepflegt, in der nicht-kommerzielle Angebote zur Förderung der Medienkompetenz systematisch erfasst wurden. Leider wird dieses Angebot aufgrund sinkender Nachfrage bei gleichzeitig ständig steigendem Aktualisierungsbedarf zum 15.01.2024 eingestellt.
Hello Web – Schule des Hörens und Sehens
Das Medienpaket der Medienanstalt Hessen richtet sich an Lehrkräfte, die Medienkompetenz vermitteln möchten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Social Media und dem Umgang mit dem Smartphone. Das Medienpaket enthält Unterrichtsideen mit didaktischen Hinweisen und zahlreiche Materialien sowie ein Glossar.
Tool des Monats
TeamMapper
Der TeamMapper des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung ist ein kostenfreies und DSGVO-konformes Mindmap-Tool, das eine komfortable und unkomplizierte Zusammenarbeit im Bildungskontext ermöglicht. Es erlaubt das Erstellen von Mindmaps im Team, den Einsatz von Farben und die Ergänzung von Bildern.
Fundstücke des Monats
Argumente gegen Antisemitismus
Medienkompetenz bedeutet auch, falsche Behauptungen erkennen und widerlegen zu können. Angesichts eines starken Anstiegs antisemitischer Äußerungen ist es gut, die wichtigsten Mythen und die plausiblen Gegenargumente zu kennen – sei es für Social Media oder die „real life bubble“. Campact hat zehn Mythen aufgedeckt und mit Gegenargumenten versehen.
Nichts fürs Kinderzimmer
Der Spielzeughersteller Curio verkauft in den USA und weiteren englischsprachigen Ländern Plüschtiere, die sich über eine KI-Stimme mit Kindern unterhalten. Die EU und Deutschland bleiben (zunächst) außen vor. Eltern können die Transkription der Gespräche über eine App abrufen. Curio wertet sie aus, um sein Angebot zu verbessern. Wir erinnern uns an Cayla und finden: Das geht gar nicht!
Digitale Presseschau nicht nur für Schulen
Die kostenpflichtige App Buzzard des gleichnamigen Berliner Journalismus-Startups zeigt zeitnah verschiedene Perspektiven zu aktuellen Themen und Debatten auf. Sie will Filterblasen aufbrechen und dabei helfen, sich eine eigene differenzierte Meinung zu bilden. Nicht ganz unumstritten, wird sie bereits an einigen Schulen eingesetzt.
Bildnachweise Editorial: Angelika Kamlage | Themen und Termine: Stas Knop/Pexels | Internet ABC | Andreas Büsch | Filmtipp: Methode Film | mekomat: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) | Zertifikatskurs: Olia Danilevich/Pexels | Bettina Berres & #mepps21 | Kooperationspartner: Katholische Akademie in Bayern | Bundeszentrale für politische Bildung | Medienanstalt Hessen | Tool des Monats: Niedersächsisches Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung | Fundstücke: Campact | Curio Interactive Inc.| BR/Christoph Schneider
