Sich zeigen, seine Interessen artikulieren, dabei sein
Vor allem der Rahmen des Social Web bietet Kindern und Jugendlichen vielfältige Möglichkeiten, das Internet aktiv für sich einzunehmen. Je älter sie werden, desto vielfältiger nutzen sie interaktive und kommunikative Möglichkeiten diverser sozialer Netzwerke, Messenger und Instant-Messaging-Dienste. Was auf dem Pausenhof nicht ausgetauscht werden konnte, kann (nach Schulende) über WhatsApp geklärt werden. Die Reaktion der Peer-Group zum selbstproduzierten Musikvideo bei musical.ly oder zum Selfie auf Instagram oder Snapchat unterstützt die Selbstvergewisserung. Das Status-Update bei Facebook informiert den Freundeskreis über das aktuelle Befinden. Das Teilen von Fotos oder Videos von gemeinsamen Erinnerungen macht die Zugehörigkeit zu anderen öffentlich und ist ein Aspekt von Beziehungspflege. Die genannten Beispiele zeigen nur einige wenige Möglichkeiten auf, wie sich die Gestaltung von Beziehungen und das Suchen und Finden von Informationen durch Digitalisierung verändern. Junge Menschen unterscheiden weniger zwischen on- und offline Kommunikation. Sie nutzen die potenzierten Handlungsmöglichkeiten des Social Web als selbstverständliche Erweiterungen ihrer Ausdrucksmöglichkeiten, die reale Konsequenzen für ihr Leben haben.
Bedienkompetenz(en) – Die halbe Miete?
Ob es um den neusten Messenger, den 3-D-Drucker im Jugendzentrum oder das Whiteboard im Klassenraum geht – wer mit Medien etwas machen möchte, der braucht ein Grundverständnis davon, welche Funktionen diese haben und für welche Zwecke sie eingesetzt werden können. Diese Bedienkompetenzen können oftmals durch Ausprobieren (learning by doing) erworben werden, da sich mittlerweile viele Geräte intuitiv nutzen lassen. Weil Kinder und Jugendliche schon früh mit Medien in Kontakt kommen, haben sie wenig Scheu, mit deren Nutzung einfach loszulegen. Innerhalb einer Familie sind es deshalb häufig die Jüngeren, die (Groß-)Eltern dabei unterstützen, ihre eigenen Geräte besser kennen und nutzen zu lernen. Da in unserer Gesellschaft gekonnter Umgang mit Technik positiv bewertet und oftmals vorausgesetzt wird, erleben technikaffine Kinder und Jugendliche hierbei eine Steigerung ihres Selbstwirksamkeitserlebens. Aber Technik- bzw. Bedien-Kompetenz ist nur ein Teil der notwendigen Medienkompetenz
Aktive Medienarbeit – der Königsweg der Medienpädagogik
Neben dem Erwerb von Bedienkompetenz geht es in der aktiven Medienarbeit darum, dass Kinder und Jugendliche lernen, wie sie Medien dafür nutzen können, sich und ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Kinder und Jugendliche sind dann sprachfähig, wenn sie Medienwirkungen sowie politische und ökonomische Zusammenhänge von Medien(-systemen) verstehen und sich eine eigene Position erarbeiten. Dazu zählt auch, selbst aktiv zu werden: wer einmal im Jugendzentrum einen Trickfilm produziert hat, kennt die gestalterischen und technischen Schritte einer Medienproduktion und kann durch die filmische Darstellung einer Erzählung seine Weltsicht artikulieren. Bei aktiver Medienarbeit geht es neben der Vermittlung von Medienkompetenz vor allem auch um das Gruppenerlebnis, an dessen Ende klassischerweise ein Medienprodukt steht, das in der Öffentlichkeit präsentiert wird. Zur Frage, ob schließlich der Prozess als solcher oder das fertige Produkt für den Lernprozess mehr Bedeutung haben, gibt es keine abschließende Antwort. Es ist jedoch offensichtlich, dass es Kinder und Jugendliche stolz macht, etwas selbst zu produzieren, was nach seiner Fertigstellung (be-)greifbar ist und mit anderen geteilt werden kann.
Bei aktiver Medienarbeit müssen nicht immer Profigeräte zum Einsatz kommen. Fast jede/r junge Mensch hat ein eigenes Smartphone, ein „Medienhaus in der Hosentasche“ (Wagner, Rösch 2013, 20), das für die Produktion und Nachbereitung von Medien genutzt werden kann. Lernen am eigenen Gerät ist nicht nur kostengünstiger, sondern auch nachhaltiger. Wer erst einmal herausgefunden hat, wie er mit dem eigenen Smartphone kreative Ideen umsetzen und dafür Feedback von anderen bekommen kann, greift eher nach Projektende erneut zum Smartphone, um etwas Eigenes zu produzieren.
Nachhaltiger wird aktive Medienarbeit auch dann, wenn in den Projekten Themen umgesetzt werden, die einen direkten Bezug zum Alltag der ProjektteilnehmerInnen haben. Wird ein Medienprodukt zum Beispiel über dasjenige soziale Netzwerk veröffentlicht, das bei Kindern und Jugendlichen gerade hoch im Kurs steht, fällt es um einiges leichter, das Medienhandeln in eben diesem zu thematisieren.
Des Weiteren können im Rahmen des Entstehungsprozesses z.B. eines Schul-Blogs wichtige, aber mitunter sehr komplexe Themen wie u.a. Urheberrechte und Datenschutz am konkreten Fall erklärt und somit in einer praktischen Situation erlebbar gemacht werden. Eine gut sortierte und fortlaufend ergänzte Sammlung von medienpädagogischen Praxisprojekten findet sich auf dem Medienpädagogik-Praxisblog.
Aktive Medienarbeit initiieren
Wer überlegt, mit Kindern und Jugendlichen aktive Medienarbeit zu machen, sollte sich mehrere Fragen stellen:
- Wer ist meine Zielgruppe?
- Welche Räume können für das Projekt genutzt werden?
- Welche Lernziele sollen mit der Medienproduktion erreicht werden?
- Welche Technik soll durch wen zum Einsatz kommen?
- Innerhalb welcher Zeit soll die Medienproduktion realisiert werden?
- Welche finanziellen Ressourcen stehen zur Verfügung?
- (Wo) soll das Medienprodukt nach der Fertigstellung veröffentlich werden?
- Wie können die Wirkungen der aktiven Medienarbeit nachhaltig gemacht werden?
Diese Fragen und wichtige Hinweise zur weiteren Planung finden sich im Artikel von Albert Treber Vordenken und Nachdenken – Über die Inszenierung medienpädagogischer Praxisprojekte im Medienpädagogik Praxis Handbuch.
Neben einer sachlichen und ausstattungsorientierten Projektplanung ist es auch wichtig, die eigene Technikaffinität und Medienkompetenz realistisch einzuschätzen. Wer bereits Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit einem bestimmten Medium hat, kann diese für seine Projektidee nutzbar machen. (Medien-)PädagogInnen und Eltern, die wenig Erfahrungen im Umgang mit technischen Geräten haben, müssen nicht schlechtere InitiatorInnen von aktiver Medienarbeit sein. Es sollte nur vorab gut überlegt werden, ob und in welchem Rahmen möglicherweise Unterstützung im Bereich der Technikvermittlung benötigt wird. Wichtige Anlaufstellen können hier die Bürgermedien (u.a. Offene Kanäle, http://www.buergermedien.de/startseite.html) oder die Rundfunkhäuser (u.a. SWR) sein. Viele Kinder und Jugendliche bringen auch schon Erfahrung in eigener Medienproduktion mit, sie erleben es als Wertschätzung, wenn ihr bereits vorhandenes Wissen und ihre Kompetenzen in die aktive Medienarbeit miteinbezogen werden.
Wer als (Medien-)PädagogIn aktive Medienarbeit initiiert, sollte sich vorher seiner Rolle als VermittlerIn zwischen Produkt und Prozess bewusst sein. Hierbei müssen die Interessen aller am Projekt Beteiligten und der AuftraggeberInnen im Blick behalten werden. Gerät im Prozess die Erstellung des Medienproduktes außer Acht oder geht es nur noch um die Produktion eines Vorzeigeprojektes, das möglichst hohe Reichweiten erzielt, sollten (Medien-)PädagogInnen sich für die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen parteilich zeigen.
Wer schließlich mit seiner Zielgruppe ein medienpädagogisches Projekt erfolgreich beendet hat, kann sich bei verschiedenen Initiativen um einen der begehrten medienpädagogischen Preise, wie den Dieter-Baacke-Preis der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikation oder den Förderpreis Medienpädagogik der Stiftung MedienKompetenz Forum Südwest („Medien machen“), bewerben.
Zum Video „Aktiv in den Medien“ aus der Serie „…und es hat Klick gemacht“
Autorin: Christina Rolle, Assistentin des Leiters der Clearingstelle Medienkompetenz
Weiterführende Links und Informationen:
Ideen und Materialien für eigene aktive Medienarbeit mit verschiedenen Zielgruppen finden sich auf dem Medienpädagogik-Praxisblog unter https://www.medienpaedagogik-praxis.de/.
Wer sich selbst Kompetenzen in medienpädagogischem Handeln erarbeiten möchte, um mit seinen Zielgruppen aktive Medienarbeit zu machen, kann am Zertifikatskurs Medienpädagogische Praxis der Clearingstelle Medienkompetenz der deutschen Bischofskonferenz, dem JFF, der bpb, dem Erzbistum Köln u.a. teilnehmen: https://medienkompetenz.katholisch.de/themenfeld/zertifikatskurs/
Wer nach größer angelegten medienpädagogischen Projekten sucht, wird beim JFF – Medienpädagogik in Forschung und Praxis fündig: https://www.jff.de
Wer nach Materialien für das eigene medienpraktische Projekt zu diversen Themen sucht, wird in der Materialübersicht Medienkompetenz der Clearingstelle fündig: http://www.mekomat.de
Weitere Projektideen und Materialien können in der Medienkompetenz-Datenbank der Bundeszentrale für politische Bildung gefunden werden: http://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/medienpaedagogik/206263/medienkompetenz-datenbank (Edit 20.03.2024: Link entfernt, Datenbank nicht mehr verfügbar)
Rösch, E.; Demmler, K.; Jäckelein-Kreis, E.; Albers-Heinemann, T. (2013): Medienpädagogik Praxis Handbuch: Grundlagen, Anregungen und Konzepte für aktive Medienarbeit. München: kopaed.
Schell, F. (2003): Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen Theorie und Praxis. München: Schriftenreihe Reihe Medienpädagogik. https://www.springer.com/de/book/9783810007254
Schmidt, Jan H.; Hasebrink, Uwe; Paus-Hasebrink, Ingrid (Hg.) (2009): Heranwachsen mit dem Social Web. Zur Rolle von Web 2.0-Angeboten im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Berlin: Vistas (Schriftenreihe Medienforschung der LfM). URL: https://www.medienanstalt-nrw.de/fileadmin/lfm-nrw/Forschung/LfM-Band-62.pdf
[Edit 05.11.21: Link zum Preis Medien machen aktualisiert]