JIM-Studie 2016: Alle nutzen Smartphones – aber nicht in der Schule

Sabine Feierabend und Theresa Plankenhorn präsentieren Ergebnisse der JIM-Studie 2016.
Das digitale Jugendzimmer: Sabine Feierabend und Theresa Plankenhorn stellen Ergebnisse der JIM-Studie 2016 vor. Foto: © Clearingstelle Medienkompetenz

The same procedure as every year“ – seit 1998: Ende November wird die jeweils neue Fassung der Studie „Jugend, Information, (Multi-) Media“ (JIM) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs) veröffentlicht. Neben Basisdaten zur Medienaneignung und Mediennutzung Jugendlicher zwischen 12 und 19 Jahren werden dabei immer auch „Spezialthemen“ untersucht. So ging es in diesem Jahr bei der JIM-Studie 2016 um die Nutzung von Smartphones in der Schule.

Durch die über die Jahre weitgehend gleichbleibenden Erhebung zu Ausstattung und Medienaneignung lassen sich dank dieser repräsentativen Studie auch Langzeitbeobachtungen zur Medienentwicklung einerseits und zum Umgang Jugendlicher mit Medien andererseits anstellen. Ein weitgehend konstanter Fragenblock wird dabei nur immer wieder an Veränderungen der Medien selbst angepasst. So wird in diesem Jahr erstmals nicht mehr zwischen Smartphones und Handys unterschieden, da „das Smartphone inzwischen Hauptzugangsweg zum Internet ist und somit eine getrennte Betrachtung beider Bereiche nicht sinnvoll erscheint“ (JIM, S. 4).

Geschlechterunterschiede bei der Ausstattung

Hinsichtlich der Mobilfunkgeräte lässt sich dementsprechend bei den Jugendlichen (eigener Gerätebesitz) Vollausstattung feststellen und immerhin 92 % haben – dadurch – einen eigenen Internetzugang. Liegen bei den Smartphones die Mädchen um 3 Prozentpunkte vorn, so sind es bei den eigenen PC bzw. Laptops die Jungen (77 % zu 71 % bei den Mädchen).  Der Rückgang im Besitz von MP3-Playern (-9 PP) sowie tragbaren (-6 PP) und festen Spielekonsolen (-5 PP) sowie Digitalkameras (-5 PP) lässt darauf schließen, dass deren Funktion ebenfalls mit Smartphones zur Verfügung stehen. Auch der leicht rückläufige Besitz von PC/Laptop bei gleichzeitigem Anstieg bei Smartphones weist in diese Richtung.

Wesentliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen wie in den Vorjahren bei Spielekonsolen, die 58 % der Jungen besitzen, aber nur 32 % der Mädchen. Nahezu exakt umgekehrt ist das Verhältnis bei Digitalkameras, die 52 % der Mädchen aber nur 33 % der Jungen besitzen. Das Alter der befragten Jugendlichen spielte mit Ausnahme von Computer/Laptop und Fernseher keine Rolle; nur diese beiden Gerätekategorien sind mit steigendem Alter signifikant häufiger im Jugendzimmer vorhanden.

Medienfreizeit: Internet und Musik

Die wichtigsten Medienbeschäftigungen in der Freizeit sind wie im Vorjahr Handy- (92 % täglich) und Internetnutzung (87 %) sowie Musikhören (82 %). Signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt es ebenfalls wie in den Vorjahren beim Spielen (Jungen: 72 %; Mädchen 14 %) und beim Bücherlesen (Mädchen 46 %; Jungen 30 %). Allerdings lesen Jungen häufiger die Tageszeitung (30 %; Mädchen: 23 %) und interessieren sich mehr für Onlinevideos (88 % zu 74 %). Erstmals abgefragt wurde, ob Bücher im Freundeskreis ausgetauscht werden. Dass 43 % dies bejahen, lässt den Schluss zu, dass „gedruckte Geschichten im Alltag der Jugendlichen eine soziale Funktion innehaben“ (S. 17).

In puncto Glaubwürdigkeit der Medien bestätigt die JIM-Studie 2016 die Trends der Vorjahre: bei widersprüchlicher Berichterstattung würden Jugendliche überwiegend auf die Tageszeitung vertrauen (41 %), deutlich vor dem Fernsehen (24 %), Radio (18 %) und Internet (15 %).

Internet-Nutzung leicht gesunken

Die Nutzungsdauer des Internets liegt in der Selbsteinschätzung der Jugendlichen mit 200 Minuten um 8 Minuten unter dem Wert von 2015; Mädchen (206 Min.) nutzen das Internet täglich länger als die Jungen (194 Min.) und mit steigendem Alter nimmt die Nutzungsdauer kontinuierlich zu (12- und 13-Jährige: 142 Min.; 18-19 Jahre: 233 Min.)

© mkfs

Die inhaltliche Verteilung der Internetnutzung gleicht den Vorjahren: mit 41 % führt weiterhin der Bereich „Kommunikation“ (2015: 40 %). Allerdings hat die zweitplatzierte „Unterhaltung“ mit 29 % um 3 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. Dagegen nimmer die „Informationssuche“ nur noch 10 % der Zeit ein (2015: 14 %). Der Bereich „Spiele“ liegt mit 19 % nahezu unverändert (2015: 20 %) auf dem dritten Platz.

Im Bereich Kommunikation bestätigte sich ebenfalls der Trend des Vorjahres: Facebook spielt vor allem bei den Jüngeren kaum noch eine Rolle und wurde vom (mittlerweile zum gleichen Konzern gehörenden) WhatsApp verdrängt, das 95 % mindestens mehrmals pro Woche nutzen. Instagram liegt auf Platz 2 (52 %) vor Snapchat (45 %) und Facebook (43 %). Skype (17 %) sowie Twitter (9 %), Tumblr oder Pinterest (je 4 %) spielen für Jugendliche keine große Rolle. Im Binnenvergleich fällt auf, dass vor allem Whatsapp (88 %) und Snapchat (72 %) aktiv, wohingegen Instagram (38 %), Facebook (33 %) und weitere Dienste eher passiv genutzt werden.

Fernsehen nicht (nur) im Internet

Entgegen scheinbarer Trends spielt das lineare „Fernsehen bei Jugendlichen noch immer eine bedeutende Rolle“ (S. 34). Zwar werden auch das Internet (22 %)  oder das Smartphone (20 %) als Kanal genutzt (22 %); die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen (95 %; 2015: 96 %) nutzt aber nach wie vor einen statischen Fernseher für Bewegtbild.

Daneben nutzen 86 % der Jugendlichen YouTube mindestens mehrmals pro Woche. Wobei eine deutliche Geschlechterdifferenzierung auffällt: 64 % der Jungen und 48 % der Mädchen nutzen YouTube täglich. Auch die bevorzugten Inhalte unterscheiden sich: Musikvideos (55 %) sind für beide Geschlechter gleichermaßen relevant. Jungen nutzen aber deutlich häufiger lustige Clips (47 % zu  33 %). Außerdem schätzen sie eher Let’s Play-Videos (51 % zu 14 %) und Videos zu aktuellen Nachrichten (29 % zu 15 %). Mädchen sind führend bei Mode- und Beauty-Videos (29 % zu 3 %) sowie Tutorials (26 % zu 17 %).

Influencer – begrenzt bekannt

Bibi, Le Floid, Gronkh und DagiBee sind wie im Vorjahr die bekanntesten YouTube-Stars – mit aufgrund der offenen Fragestellung und der großen Zahl von Akteuren einstelligen Prozentwerten. Erwartungsgemäß werden Bibi (16 %) und DagiBee (7 %) von Mädchen favorisiert, Gronkh hingegen von Jungen (7 %). Nur Le Floid ist bei beiden Geschlechtern gleichermaßen bekannt (Mädchen: 7 %, Jungen: 6 %).

Schließlich ist YouTube laut der JIM-Studie 2016 nach Suchmaschinen für Jugendliche der zweitwichtigste Informationskanal (Mädchen: 53%, Jungen: 61%).

Handy-Nutzung in der Schule © mkfs

Schule: keine Smartphones und kein WLAN!

Angesichts des Digitalpakts [Link entfernt, da veraltet, edit 05.11.21] von Bundesbildungsministerin Wanka und der KMK-Strategie „Bildung in der Digitalen Welt“ ist der in der JIM-Studie 2016 erstmals untersuchte Themenkomplex „Smartphone und Schule“ besonders interessant. Fast für die Hälfte der täglichen Hausaufgaben-Zeit von 92 Minuten werden Computer bzw. Internet genutzt. „Zeitlich liegen Jungen und Mädchen gleich auf, der prozentuale Anteil fällt bei den Jungen mit 50 % aber deutlich höher aus als bei den Mädchen (38 %)“ (S. 46) – da Jungen nur 78 Minuten für Hausaufgaben aufwenden, Mädchen jedoch 106 Minuten.

In der Schule sieht die Welt allerdings anders aus. Obwohl fast alle Schüler_innen ein Smartphone besitzen, dürfen nur 22 % es im Unterricht benutzen. Die große Mehrheit darf ein Smartphone in der Schule nicht einmal in der Pause nutzen; trotz mit dem Alter zunehmender Autonomie gilt dies noch für 15 % der Volljährigen.
Zugangsmöglichkeiten über ein schulisches WLAN sind auch eher die Ausnahme als die Regel. Die deutliche Mehrheit darf ein vorhandenes WLAN nicht nutzen (29 %). Eine Ausnahme bilden die 18- bis 19-Jährigen, die zu 18 % WLAN im Unterricht nutzen dürfen und zu 8 % zumindest in Pausen. An den meisten Schulen (59 %) gibt es allerdings überhaupt kein WLAN. An Gymnasien (54 %) sieht die Situation nach Angaben der Schüler etwas besser aus als an Haupt- und Realschulen (66 %).

Stress mit Medien

Nach 2014 wurde dieses Jahr auch wieder erfragt, ob Jugendliche Probleme mit Cybermobbing haben. Wenn Schüler_innen auch einen differenzierten und von fachlicher Definition teilweise abweichenden Begriff von Mobbing haben (vgl. dazu die Studie des JFF „Wo der Spaß aufhört“), geben doch ein Drittel an (2014: 38 %, dass in ihrem Bekanntenkreis schon mal jemand per Handy oder im Internet fertig gemacht wurde. Auf Nachfrage geben 8 % aller Jugendlichen an, selbst schon einmal Mobbing-Opfer geworden zu sein (2014: 7 %). „Dies entspricht einer Größenordnung von etwa 500.000 Jugendlichen in Deutschland. Mädchen sind dabei mit neun Prozent häufiger betroffen als Jungen (7 %)“ (S. 49). Der Anteil steigt mit dem Alter; an Gymnasien ist der Anteil etwas geringer als an den übrigen Schulformen. Bei der Suche nach Hilfe würden sich Mädchen eher an Eltern, Freunde und Geschwister wenden; Jungen eher an Lehrer oder die Polizei.

Unterhalb dieser Schwelle an Beeinträchtigung gibt eine noch deutlich größere Zahl von Jugendlichen an, dass schon mal falsche oder beleidigende Sachen über sie in digitalen Medien verbreitet wurden: fast jede_r fünfte hat so etwas schon einmal erlebt. Auch dabei steigt die Häufigkeit mit dem Alter und variiert mit der Schulform.

Stress durch Smartphones

Die Selbsteinschätzung anhand von sechs verschiedenen Statements, ob Smartphones eher hilfreich oder stressend sind, zeigt ein ambivalentes Bild: 70 % der Befragten räumen ein, mit Apps und Communitys manchmal Zeit zu verschwenden. Fast die gleiche Zahl (68 %) kann sich aber auch nicht vorstellen, ohne Handy/Smartphone den Freundeskreis noch zu organisieren. Und während 55 % die Menge der Nachrichten manchmal als nervig empfinden, benötigen doch 51 % das Smartphone mittlerweile auch für die Schulorganisation, wenn z.B. Stunden ausfallen oder für Hausaufgaben.

Schließlich kennen über drei Viertel der Jugendlichen auch Handy-freie Zeiten – und in der theoretischen Befragung können sich 78 % vorstellen, auch eine Woche ohne Handy zu verbringen. „Die Geschlechter, Alters- und Bildungsgruppen unterschieden sich hierbei überraschenderweise kaum.“ (S. 54)

Links

Jim-Studie 2016 als PDF

Grafiken (Powerpoint-Folien) als Service für Vortragende

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