Rund 30 Expert*innen trafen sich auf Einladung des Instituts für Medienpädagogik in Forschung und Praxis (JFF), München, am 1. Juli 2019 zu einem Fachgespräch zur Medienkompetenz in der Evangelischen Akademie Frankfurt. Ziel war die Systematisierung unterschiedlicher Modelle und Konzepte von Medienkompetenz.
Das Fachgespräch war der zweite Schritt im Rahmen eines vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten Projekts, das unter dem Titel Digitales Deutschland ein Monitoring zur Medienkompetenz erstellen will. Vorausgegangen war im letzten Jahr eine Erfassung von über 100 Veröffentlichungen zwischen 2013 und 2018, die Aussagen zu digital- und medienbezogenen Kompetenzen treffen. 83 der gesichteten Dokumente wurden nach festgelegten Kriterien zusammengetragen und hinsichtlich der verwendeten Begriffe, empirischen Umsetzungen und zentralen Befunde analysiert. Die Ergebnisse sind in einer Online-Datenbank recherchierbar und sollen nun weiter systematisiert werden, um im dritten Schritt ein übergreifendes Rahmenmodell von Medienkompetenz entwickeln zu können. Ausgangspunkt des Projekts ist die Feststellung, dass es bislang keine systematische Betrachtung der Kompetenzen gibt, die in der Bevölkerung für ein souveränes Leben angesichts der Digitalisierung notwendig sind.
Gemeinsam mit den Projektpartnern Universität Siegen (Prof. Dr. Dagmar Hoffmann) und PH Ludwigsburg (Prof. Dr. Anja Hartung und Prof. Dr. Thomas Wilke) stellte das JFF zunächst drei Zielgruppen-Expertisen in Form einer Posterpräsentation vor. In Kleingruppen ging es dann um die Frage nach Anmerkungen, Ergänzungen und „blinden Flecken“ beim Blick auf die Kinder und Jugendlichen, Erwachsenen und Menschen höheren Alters.
Den nächsten Schritt bildete eine inhaltliche Diskussion in drei Kleingruppen zu Schwerpunkten und Defiziten bestehender Medienkompetenzmodelle, zur Subjektgebundenheit von Medienkompetenz und Kompetenzansätzen sowie zu normativen Anforderungen an Medienkompetenz im Kontext der Digitalisierung. Die Ergebnisse dieser Kleingruppen flossen als Leitfragen in eine zweite Diskussionsrunde ein, die sich mit den zielgruppenspezifischen Bedarfen eines Rahmenmodells auseinandersetzte. Dabei griff wieder die Dreiteilung in Kinder und Jugendliche, Erwachsene sowie Angehörige des höheren Lebensalters.
Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass das Fachgespräch sehr wertvoll war. Denn es ist selten genug möglich, sich in einer Mischung aus Theorie und Praxis auf solche konzeptionellen „Tiefenbohrungen“ einzulassen. Auf die nächsten Schritte darf man gespannt sein, denn einige Eckpunkte wurden im Rahmen der Diskussion ebenso klar wie letztlich nicht einseitig auflösbare Dilemmata. So werden an die unterschiedlichen Zielgruppen höchst unterschiedliche Anforderungen gestellt, wobei sich insbesondere die Zielgruppe der Erwachsenen als sehr disparat darstellt. In allen Fällen bleibt die Frage, ob die notwendigen Kompetenzen angesichts der Digitalisierung eher subjektive Faktoren sind oder ob es um eine soziale Kategorie geht, weil ohne Medienkompetenz eine Partizipation in durch digitale Medien geprägten Gesellschaften schlechterdings nicht möglich ist. Damit sind unmittelbar normative Anforderungen verknüpft, die wiederum entweder subjektiv im Sinne eines souveränen Lebens bzw. – mit Blick auf die höhreren Lebensalter – als Bewältigung des Alltags gedeutet werden können oder eben als gesellschaftliche Teilhabe.
Einigkeit bestand schließlich darin, dass die Individuen nicht mit Verantwortung überfrachtet werden dürfen. Daher muss die Diskussion des Medienkompetenzbegriffs immer auch den strukturellen Wandel der Rahmenbedingungen mit berücksichtigen. Für die weitere Diskussion liegt es deshalb nahe, ein Kompetenzmodell auf drei Ebenen zu betrachten: auf der Mikroebene (individuelle Ebene) geht es dann um die Kompetenzanforderungen an das Individuum, auf der Mesoebene (soziale Komponente) um die Anforderungen an soziale Systeme (und Zielgruppen) und auf der Makroebene um gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen.