JIM-Studie 2024: KI und Desinformation auf dem Vormarsch

JIM-Studie 2024 - Titelseite (Ausriß)
Grafik: mpfs

„Alle Jahre wieder …“ erscheint Ende November die aktuelle Ausgabe der Studie „Jugend, Information, Medien“, kurz JIM-Studie. Bereits seit 1998 gibt die repräsentative Befragung unter diesem Titel Auskunft über Mediennutzung und -aneignung junger Menschen zwischen 12 und 19 Jahren. Neben zahlreichen gleichbleibenden Themen bietet die Basisuntersuchung zum Medienumgang immer auch einige spezialisierte Themen und Fragestellungen.

Zur Medienausstattung fällt auf, dass der Besitz von Computer bzw. Laptop (68 %, -5 PP) ebenso wie von Fernsehgeräten (50 %, -7 PP) im Vergleich zu 2023 zurückgegangen ist. Am meisten überrascht der Rückgang bei Smartphones (93 %, – 3 PP); weniger überraschend ist dabei die Marktmacht von Samsung (36 %) und Apple (34 %). Leichte Zunahmen beim Gerätebesitz Jugendlicher gibt es unter anderem bei Tablets (59 %, +3 PP), tragbaren Spielekonsolen (38 %, +5 PP) und Wearables (35 %, +4 PP).

Wie in den Vorjahren zeigen sich die größten Unterschiede zwischen den Geschlechtern beim Besitz von Spielkonsolen (Jungen 61 %, + 24 PP) und Computern (47 %, +24 PP). Umgekehrt besitzen Mädchen häufiger ein Smartphone (96 %, +5 PP) und ein Tablet (64 %, +9 PP) sowie einen E-Book-Reader (18 %, +5 PP). Insgesamt können sich E-Books aber nach wie vor bei den Befragten nicht durchsetzen. Dagegen ist wieder eine leichte Zunahme beim Lesen von gedruckten Büchern festzustellen.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Mediennutzung

Was die Mediennutzung angeht, sind Smartphone und Internet weiterhin die meistgenutzten Medien. Bei der täglichen Nutzung haben Online-Videos (+6 PP) zulegen können; das (lineare) Fernsehen verliert dagegen weiter bei der Zielgruppe (-6 PP). Darüber hinaus haben bei der regelmäßigen Nutzung Podcasts (+5 PP) und Tablets (+6 PP) zugelegt. Weniger erwartbar ist der Rückgang der regelmäßigen Nutzung von TikTok, insbesondere bei den 12- bis 13-Jährigen (-9 PP).

Auch zeigen sich – bereits aus den Vorjahren bekannte – geschlechterspezifische Präferenzen. Während die männlichen Jugendlichen signifikant häufiger digitale Spiele (87 %, +29 PP) und Internet-Videos (89 %, + 9 PP) nutzen, bevorzugen weibliche Jugendliche das Lesen gedruckter Bücher (47 %, +19 PP) sowie Podcasts (30 %, +6 PP) und Hörbücher (26 %, +5 PP).

JIM-Studie 2024: Tabelle der wichtigsten Apps
Wichtigste Apps Top 5 (bis zu drei Nennungen ohne Antwortvorgabe)
Quelle: JIM 2024, Angaben in Prozent, Basis: Befragte, die ein Handy/Smartphone besitzen, n=1.122

Das wichtigste Medium Internet wird nach Selbsteinschätzung der befragten Jugendlichen mit 201 Minuten etwas weniger genutzt als im Vorjahr (-23 Min.). Über die einzelnen Alterskohorten und Geschlechter hinweg ist WhatsApp mit deutlichem Abstand nach wie vor die wichtigste App (81 %). Auf den Plätzen zwei und drei folgen Instagram (31 %) und YouTube (25 %). Dabei nutzen Mädchen WhatsApp (+ 5 PP), Instagram (+ 10 PP) und TikTok (+11 PP) sowie Snapchat (+ 6 PP) häufiger als Jungen. Für diese wiederum sind YouTube (34 %, + 17 PP) und Brawl Stars (6 %, +5 PP) wichtiger. Bei den 18-19-Jährigen erhält allerdings Spotify mehr Nennungen als Snapchat und schiebt sich damit auf Platz vier in dieser Altersgruppe.

Allerdings geben auch zwei Drittel der Jugendlichen an, dass sie regelmäßig mehr Zeit als geplant am Handy verbringen. Fast ebenso viele (59 %) sagen „ich genieße es, wenn ich Zeit ohne Handy und Internet verbringen kann“. Ein Drittel verspürt Angst, ohne Handy etwas zu verpassen (FOMO, fear of missing out). Und immerhin ein Viertel gibt an, von Social Media oft überfordert zu sein.

KI und Desinformation auf dem Vormarsch

Die Zusatzfragen beziehen sich in der JIM-Studie 2024 auf KI-Nutzung, problematische Netz-Inhalte und auf Zukunftsperspektiven Jugendlicher. So hat die Nutzung von ChatGPT stark zugenommen, nur ein Zehntel der Jugendlichen hat noch nie davon gehört. Die Mehrheit (57 %, 2023: 38 %) hat es mindestens einmal selbst genutzt. Andere KI-Anwendungen nutzen 25 % der Jugendlichen. Sowohl für die Hausaufgaben (65 %) als auch nur zum Spaß (52 %) wird KI genutzt. Dabei wird KI – gemeint sind in diesem Fall wohl vor allem ChatBots – auch zur Informationsbeschaffung (43 %) und „um herauszufinden, wie etwas geht“ (35 %) genutzt. Nur eine Minderheit nutzt KI für kreative Anwendungen, um Musik (7 %) oder Videos (6 %) zu erstellen.

Einen unmittelbaren Zusammenhang kann die JIM-Studie 2024 als quantitative Erhebung zwangsläufig nicht herstellen. Aber es fällt zumindest auf, dass Fake News (61 %, +3 PP), extreme politische Ansichten (54 %, + 12 PP) und beleidigende Kommentare (57 %, + 6 PP) deutlich häufiger als im Vorjahr wahrgenommen werden. Differenziert nach Geschlechtern zeigt sich, „dass Mädchen im  Vergleich zu Jungen häufiger von beleidigenden Kommentaren, sowohl allgemeiner Natur als auch gegen sich persönlich, berichten. Jungen hingegen nennen häufiger Falschnachrichten, Verschwörungstheorien und ungewollten Kontakt zu pornografischen Inhalten als Problembereiche. Generell zeigt sich, dass mit steigendem formalen Bildungsgrad auch die Häufigkeit zunimmt, mit der Jugendliche angeben, auf problematische Inhalte im Netz gestoßen zu sein“ (S. 54). Neben dem Bildungsgrad spielt auch das Alter eine Rolle bei der Wahrnehmung sowie der Einordnung entsprechender Phänomene.

Ein weiteres Problem stellen sexuelle Belästigungen im Netz dar. Rund ein Drittel der befragten Jugendlichen gibt an, damit schon einmal konfrontiert gewesen zu sein. Für 4 % passiert das sogar täglich. Einen traurigen Rekord schafft dabei Instagram, wo 58 % sexuelle Belästigung erfahren haben. Auf Platz 2 und 3 folgen TikTok (19 %) und Snapchat (14 %).

Zukunftsperspektiven Jugendlicher

Angesichts komplexer Herausforderungen und vielfacher Krisenerfahrungen fragte die JIM-Studie 2024 erstmals offen (Mehrfachnennung) nach den persönlichen Zukunftsperspektiven. Die größten Sorgen bereiten den Jugendlichen demnach Kriege, insbesondere der Krieg in der Ukraine, sowie der Klimawandel. Politisch viel diskutierte Themen wie Migration werden von ihnen dagegen kaum mit Zukunftssorgen in Verbindung gebracht.

Gefragt nach den positiven Perspektiven, stehen für Jüngere eher kurzfristige Ereignisse im Vordergrund. Für die Älteren sind eher Schulabschluss, persönliche Entwicklung und Themen wie Freundschaft / Partnerschaft relevant.

Die Autor:innen der Studie ziehen das Fazit, „dass es entscheidend ist, mit den Entwicklungen im Medienverhalten Jugendlicher Schritt zu halten, um einen sicheren und kompetenten Umgang
mit Medien zu fördern. Besonders im Bereich Künstlicher Intelligenz, die bereits Eingang in den Alltag vieler Jugendlicher gefunden hat, ist es wichtig, diese Entwicklung pädagogisch zu begleiten. … Schulen sollten daher das Thema KI aktiv einbinden und neben sinnvollen Einsatzmöglichkeiten auch eine kritische Haltung gegenüber den erzeugten Inhalten vermitteln“ (S. 69). Dem ist – bis auf den Verweis auf die Notwendigkeit und Relevanz auch außerschulischer medienpädagogischer Angebote – (fast) nichts hinzuzufügen.

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