Corona hat zu einem Digitalisierungsschub geführt, so viel steht fest. Aber was bedeutet das und was machen wir in der Medien- und politischen Bildung daraus? Auf der Fachtagung mepodi – Medienbildung politisch und digital ging es um diese Fragen.
Die Fachtagung stand unter dem Thema „Aus Erfahrung gut?!“ und fand am 11. Mai 2022 sowohl in der Katholischen Akademie des Bistums Fulda als auch digital auf YouTube statt. Ausgerichtet wurde sie von der AKSB (Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke in der Bundesrepublik Deutschland), der Katholischen Akademie des Bistums Fulda – Bonifatiushaus, der Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz und der LPR (Medienanstalt Hessen – Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und Neue Medien).
Während der Corona-Pandemie haben Digitalisierung und Digitalität erneut einen enormen Schub erhalten. Homeoffice, Homeschooling, Ansturm auf Bestellportale: Ohne digitale Medien ging fast nichts mehr. Nicht nur der Konsum, sondern auch die proaktive Nutzung sind beachtlich gestiegen. Es gibt keinen gesellschaftlichen Bereich, auf den die neuen Kommunikationstechnologien nicht Einfluss nehmen. Damit ergeben sich für die medienpädagogische Arbeit wie auch die politische Bildung Veränderungen. Und so stehen auch Multiplikator/-innen vor neuen Herausforderungen, haben Fragen und brauchen Unterstützung in ihrer (medien-)pädagogischen Arbeit.
Warum das so ist, erklärte Joachim Becker, Direktor der Medienanstalt Hessen, stellvertretend für alle Organisatoren der Fachtagung mepodi: „Medienkompetenz ist deshalb so wertvoll, weil sie für gesellschaftliche und politische Teilhabe in der modernen Gesellschaft unabdingbar ist. Wir haben in der Zwischenzeit die Janusköpfigkeit der digitalen Kommunikationstechnologien erkannt. Chancen, Verheißungen auf der einen Seite, Gefahren und Diskussionen auf der anderen Seite.“ Nutzer/-innen seien von reinen Konsumenten zu „Stakeholdern“ geworden. Diese neue Position setzt Kompetenzen, Wissen und Verstehen – und vor allen Dingen aber politische Bildung – voraus.
Daher kamen auf der Fachtagung Experten und Expertinnen aus Wissenschaft, Politik, politischer Bildung und Medienbildung zusammen.
mepodi: Medienbildung und politische Bildung – Grundlagen schaffen
Während der Corona-Pandemie wurde die digitale Ungleichheit offensichtlich. So waren beispielsweise eine digitale Ausstattung, genügend Datenvolumen und grundlegendes technisches Know-How nötig, um an digitalen Unterrichtsangeboten teilnehmen zu können.
Das Grundproblem stellte Dr. Guido Bröckling, Leiter des Büros Berlin des JFF – Institut für Medienpädagogik, dar: „Wenn wir von der digitalen Ungleichheit sprechen, müssen wir erstmal davon sprechen, was dahinter steckt. Zum einen soziale Ungleichheit. Von der sozialen Ungleichheit kommen wir sehr schnell zur digitalen Ungleichheit.“ Gleichzeitig profitierten Menschen in privilegierten Positionen stärker von Digitalisierung. „Wir haben es mit sich selbst verstärkenden Ungleichheiten zu tun.“
Digitale Bildungsangebote seien derzeit häufig so gestaltet, dass sie das Problem reproduzierten und keine Teilhabe ermöglichten. Als Lösung lieferte Bröckling mehrere Ansätze, die von Beziehungsarbeit bis zu Digitalsprechstunden reichen.
Digitale Tummelplätze
Wichtig ist auch die Frage, welche Medien Kinder und Jugendliche denn überhaupt nutzen und wo sie erreicht werden können. In den vergangenen 20 Jahren gab es dramatische Veränderungen in der Medienwelt und der Mediennutzung, stellte Werner Schlierike von hr info, Moderator der Fachtagung, fest. Während Jugendliche früher in die Mediennutzung der Erwachsenen hineingewachsen sind, gibt es mittlerweile Angebote, die vornehmlich von Kindern und Jugendlichen genutzt werden.
„Die Bedeutung der klassischen Medien ist rückläufig. Nichtsdestotrotz gibt es nutzungs- und situationsabhängige Dinge, bei denen sie noch durchaus eine Rolle spielen, Stichwort: TV-Events, Live-Gemeinschaftliches“, bestätigte Sabine Feierabend, Referentin für Medienforschung & Analytics des SWR. Jährlich analysiert sie mit der JIM-Studie das Medienverhalten von Jugendlichen und stellte auf der Fachtagung die Ergebnisse aus dem Jahr 2021 vor. Dabei zeigte sich, dass Jungen und Mädchen unterschiedliche Vorlieben bei Geräten, Spielen und allgemeiner Nutzung haben. Doch runtergebrochen stellte Feierabend fest: „Wo sind die Jugendlichen?“ Antwort: „Im ganzen Internet.“
Authentisch vermitteln
Stellt sich also die Frage, wie genau Medienbildung und politische Bildung Kinder und Jugendliche am besten erreichen. Ideen, Inspirationen und Beispiele dazu gab Finn Lasse Andresen, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Agentur People on the Hill (POTH), in seinem Beitrag „Wie werden wir erfolgreiche Influencer?“.
An Beispielen zeigte er, wie Politik, politische Bildung und Medienbildung erfolgreich junge Menschen ansprechen können. Allerdings schränkte Andresen ein: „Wenn wir darüber sprechen, wie wir junge Leute erreichen, müssen wir auch darüber sprechen, wo wir sie erreichen. Zu nennen sind vor allem Plattformen wie TikTok, Instagram und für die politische Bildung zudem Podcasts.“
Ein guter Weg könne darin bestehen, gemeinsam mit einer oder einem erfolgreichen Influencer ein Thema außerhalb der eigenen „Bubble“ aufzugreifen und so die eigene Reichweite zu erhöhen. Verschiedene Influencer/-innen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Politik für Gleichaltrige zu erklären. Mit eigenen Podcasts oder Magazinen können Anbieter der (medien-)politischen Bildung auch selbst auf ihre Themen eingehen. Im Influencertum gilt aber immer: „Große Influencer sind vor allem deshalb groß, weil sie authentisch sind. Eine Inszenierung funktioniert nicht, wenn man nicht dahinter steht.“
mepodi: Transfer in die Bildungspraxis
In einer abschließenden Diskussionsrunde zum Thema „Wie müssen Bildungsangebote morgen aussehen? Konsequenzen nach dem ‚Digitalisierungsschub‘“ mit Dr. Guido Bröckling, Sabine Feierabend und Finn Lasse Andresen brachten Ulrike Maqua (Jugendbildungsreferentin am Franziskanischen Bildungswerk Großkrotzenburg) und Anne Heidel (Sozialpädagogin, Gesellschafterin bei filmreflex medienpädagogik) den Blickwinkel der Bildungspraxis ein.
Schüler/-innen und Jugendliche hätten durchaus einen sicheren Umgang mit digitalen Medien, so Ulrike Maqua. Aber es hapere an anderen Punkten: „Wie erkenne ich Fake News, wie kann ich Meldungen einordnen? Es ist erschreckend, wie wenig Jugendliche erkennen. Da kann ganz klar ‚Werbung‘ drüberstehen und es wird trotzdem nicht als Werbung erkannt.“
Die digitale Lebenswelt müsse viel stärker in der schulischen und außerschulischen Lebenswelt aufgegriffen werden. Denn „Wir helfen, die Mechanismen zu begreifen: Wie arbeiten Influencer, wie funktioniert ein Post. Das muss täglich einfließen und kann nicht nur Aufgabe der Eltern sein. Es ist eine gute Chance, zu einem Projekttag eingeladen zu werden. Aber eigentlich müsste es tagtäglich ein Baustein sein.“ Beispiele gibt es viele: Recht am Bild vermitteln, Recherche im Netz und dabei lernen, wie eine gute Recherche funktioniert, Schülerzeitungen digital umsetzen und in Social Media veröffentlichen.
Das Ziel all dessen fasste Finn Lasse Andresen so zusammen: „Es ist vor allem der Wunsch, dass Kinder und Jugendliche sicherer im Internet unterwegs sind und nicht unbedarft alles teilen.“
Service
Dr. Guido Bröckling und Sabine Feierabend haben freundlicherweise die Folien ihrer Vorträge zur Verfügung gestellt. Sie finden Sie hier als PDF-Dateien zum Download.
Sabine Feierabend: Hilfe, wo sind die Jugendlichen? (Neue) Erkenntnisse aus der JIM-Studie
Ein Video-Mitschnitt der Fachtagung mepodi ist bei YouTube abrufbar:
(Wir bitten den fehlenden Ton in den ersten 12 Minuten zu entschuldigen.)
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