Fast so was wie ein Teekesselchen

Junge liest Zeitung und sein Opa sitzt neben ihm vor dem Laptop
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Es ist fast wie ein Teekesselchen: alle reden oder schreiben darüber, Politiker und Wirtschaftsvertreter fordern es, Eltern und pädagogische Fachkräfte in den unterschiedlichen Bildungseinrichtungen sollen es fördern, vor allem Kinder und Jugendliche sollen sich aber auch selbst aneignen, es ist einerseits Voraussetzung, aber auch Ziel eines Bildungsprozesses, in den medienpädagogischen Diskussionen herrscht der Begriff seit über 40 Jahren vor, ohne bisher wirklich definiert worden zu sein – was ist das?

Die Lösung: Medienkompetenz!

Was ist genau unter diesem schillernden Begriff zu verstehen und warum ist er immer wieder so wichtig?

Der Bielefelder Pädagoge Dieter Baacke forderte schon Anfang der 1970er Jahre, dass alle Menschen sich auch mit Medien auskennen müssten, um sich an modernen Gesellschaften wirklich beteiligen zu können. Diese Forderung hat in den letzten 40 Jahren nichts von ihrer Dringlichkeit eingebüßt, im Gegenteil: in modernen Gesellschaften haben Medien eine derart wichtige Funktion bekommen, dass wir heute von mediatisierten Gesellschaften sprechen. Das heißt dann aber auch, dass die Gestaltung des gesellschaftlichen Miteinanders durch und mit Medien geschieht, dass Information und Kommunikation wesentlich davon abhängen, dass wir diese Medien richtig nutzen können.
Das Ziel von Medienkompetenz ist also die Beteiligung möglichst aller Menschen an der Gestaltung der Gesellschaft und damit auch der Kirche.

Was brauchen wir dazu?

Der Begriff Medienkompetenz umfasst eine ganze Reihe von einzelnen Kompetenzen. Solche Kompetenzen sind mehr als bloße Fähigkeiten und Fertigkeiten; der Begriff meint auch, dass wir uns in jeweils neuen, vorher noch nicht erlebten Situationen damit zurecht finden können. Wer z.B. noch nie ein Smartphone in der Hand hatte, wird an der Bedienung, den zahlreichen Einstellmöglichkeiten und Apps schier verzweifeln. Wer aber schon einmal einen solchen mobilen Begleiter besaß, wird sich wahrscheinlich auch recht bald mit dessen Nachfolger oder gar einem Gerät einer anderen Firma zurechtfinden.

Eigentlich selbstverständlich gibt es also eine technische Kompetenz, mit der wir uns Geräte und Dienste aneignen und sie immer souveräner nutzen. Zu dieser Sachkompetenz gehört aber auch das Wissen um individuelle Zugänge zu Angeboten und Diensten z.B. im Internet. Und dazu gehört auch das Wissen um Strukturen und die Organisation des Mediensystems in einer Gesellschaft, dass es also z.B. öffentlich-rechtliche und private Rundfunkanbieter gibt, welchen Verlegern welche Zeitungen gehören usw.

Diese Fähigkeit zur Unterscheidung und Bewertung verweist schon auf einen zweiten Kompetenzbereich, die kritische Kompetenz. Dazu gehört zunächst und vor allem, ein Medium überhaupt als solches und damit als Produkt von Menschen zu verstehen (Medialitätsbewußtsein). Denn nur dann ist es möglich, dieses Medium aus Texten, Bildern und Tönen sachgerecht wahrzunehmen und subjektiv richtig zu interpretieren. Dazu gehört dann z.B. auch, verschiedene Textgattungen oder Filmgenres unterscheiden und diese in Bezug zu uns setzen zu können. Hier spielt die Wahrnehmung, also unsere Fähigkeit unsere Umwelt mit allen Sinnen wahrnehmen zu können, eine wichtige Rolle – auch bei technischen und digitalen Medien!

Es geht aber bei der Medienkompetenz nicht nur um die Rezeption, sondern gerade auch um die Kompetenz, die eigene Kommunikation mit und durch Medien zu gestalten, um so auf die jeweilige Situation und den Anlass angemessen kommunizieren zu können: per SMS eine Beziehung zu beenden ist ebenso unangemessen wie in der Zeitung veröffentlichte private Details. Diese Gestaltungskompetenz bezieht sich auf formelle und informelle Kommunikation, aber auch auf kreative und künstlerische Bereiche. In allen Fällen hat sie enge Bezüge zu einer sozialen Kompetenz, denn Medien sind kein Selbstzweck, sondern auf Kommunikation und Interaktion von Menschen ausgerichtet. Das bekommt in den Zeiten von Social Media nochmals eine neue Bedeutung, denn anders als früher können wir im sogenannten Web 2.0 jederzeit die Rollen tauschen; wir sind nicht mehr bloß Rezipienten wie im Zeitalter der Massenmedien, sondern können jederzeit auch Produzenten sein.

Damit brauchen wir aber auch eine medienethische Kompetenz, um unsere kritischen Urteile auf uns selbst beziehen und unser medienbezogenes Handeln an ethischen Maßstäben ausrichten zu können. Es liegt schließlich an mir, welche Medienangebote ich nutze und welchen ich durch Nicht-Kauf bzw. Nicht-Nutzung eine Absage erteile. Dabei spielen dank digitaler Medien ganz zentrale Fragen eine immer größere Rolle: Was ist „wahr“ bzw. „real“? Was ist „nur“ virtuell? Welche Gültigkeit kann eine mediale Aussage beanspruchen?

Schließlich gehört zu Medienkompetenz auch die Fähigkeit zur sogenannten Anschlusskommunikation, d.h. sich sachgerecht und subjektiv relevant über Medien auszutauschen: was bedeutet mir das, was ich sehe und höre? Welchen Sinn sehe ich darin und warum spricht mich etwas an, während anderes mich abstößt. Damit werden letztlich auch die Werte thematisiert, die uns wichtig sind und die wir zur Gestaltung unserer Gesellschaft brauchen.

Und bei alldem dürfen wir nicht vergessen: auch die Genuss- oder Unterhaltungsfähigkeit spielt eine Rolle. Medienkompetenz ist eine wichtige Sache, aber ihr Erwerb darf ebenso wie ihre Anwendung auch Spaß machen!

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