Bereits am Vorabend der Bildungsmediale wurden im Rahmen eines Fachgesprächs die Dagstuhl-Erklärung und das daraus entwickelte Konstrukt „Haus der digitalen Bildung“ von Ira Diethelm analysiert und weiter ausgeführt. Auch das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern wurde durch einen inhaltlichen Input von Saskia Esken (Mitglied des Deutschen Bundestags) kontrovers diskutiert. Am darauffolgenden Tag, dem 15. September 2016, widmeten sich interessierte Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung dann auf der Bildungsmediale 2016 in der Katholischen Hochschule in Mainz der Frage, wie Digitale Bildung in Schulen etabliert werden kann. Träger der Veranstaltung waren die Initiative Keine Bildung ohne Medien (KBoM!), die Initiative D21 und der Bündnis für Bildung e. V. (BfB). Die Bildungsmediale fand zum zweiten Mal seit 2013 statt und versteht sich als Plattform für Diskussion und Austausch über Schulen in der digitalisierten Gesellschaft.
Was genau versteht man unter Digitaler Bildung? „Für eine digitale Bildung müssen wir Digitalisierung in Bildung und Bildung in Digitalisierung bringen. Digitale Bildung besteht nicht nur aus Nullen und Einsen, es ist viel mehr!“, so Saskia Esken (Mitglied des Deutschen Bundestags) in der Auftaktdiskussion mit Lena-Sophie Müller (Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins Initiative D21), Martin Hüppe (Geschäftsführer des Bündnis für Bildung) und Justin Gentzer (Vorstand des Bildungswerk für Schülervertretung e.V.). Dabei kamen auch die strukturellen Barrieren zwischen Ländern und Kommunen zur Sprache, welche die für die Digitalisierungsentwicklung benötigte Zusammenarbeit noch erschweren – eine Herausforderung die durch anders verteilte Zuständigkeiten und Kooperation angegangen werden muss.
Auf die Frage, welche Standards für Lehrkräfte in der Medienbildung gelten sollten, stellte Lena-Sophie Müller drei Punkte heraus, die realisiert werden müssen: erstens muss der infrastrukturelle Rahmen des Lehrumfelds stimmen, dies beginnt bei simplen Dingen wie einem funktionierenden Internetzugang. Zweitens muss Medienbildung verpflichtender Bestandteil der Aus- und Weiterbildung für Lehrkräfte sein. Damit eine Umsetzung von digitaler Bildung auch möglich ist, gilt es drittens die Lehrpläne und Prüfungsordnungen dementsprechend anzupassen.
Wie das Programm der Digitalen Bildung in Schulen aussehen soll, ist vielen Ländern bereits bewusst – sogenannte notwendige „21.-Century-Skills“ benötigen zur Vermittlung allerdings eine andere Kultur des Lernens, welche aus zwei Säulen besteht: die informatische Grundbildung der SchülerInnen sowie medienpädagogische und mediendidaktische Ansätze. Für diese Ansätze bedarf es nicht eines bestimmten neuen Fachs, vielmehr sollen diese Ansätze in bereits bestehende Fächer integriert werden. Dennoch darf die Umsetzung nicht in allen Fächern verbindlich sein – Verbindlichkeit ist ein zu großer Schritt, der eine sofortige Umsetzung eher erschwert.
Trotz vieler Pläne, „besteht ein Umsetzungsproblem, das gelöst werden muss“, so Martin Hüppe. „Es fehlen Menschen, die versuchen mit den Schulen neue Wege zu entwickeln; es hapert an handelnden Personen, die Konzepte aber sind da!“ Damit diese Konzepte auch umgesetzt werden können, müssen Ländern und Kommunen mit Hilfe von Politik und Wirtschaft Freiräume zur eigenständigen Weiterentwicklung geschaffen werden. „Dies kann jedoch nicht unter Druck durch die Politik geschehen, da Schulentwicklung ein langsamer, aber steter Prozess ist, der partizipativ stattfinden muss“, so Esken. Neben der schulischen muss jedoch auch die außerschulische digitale Bildung gefördert werden: Schülern sollte eine vernetzte Bildungslandschaft vor Ort zu Verfügung gestellt werden.
Prof. Dr. Heidi Schelhowe, Professorin für Digitale Medien in der Bildung in der Informatik an der Universität Bremen, stellte in ihrem Impulsvortrag „Von der Leichtigkeit der Zeichen und von der Macht der Produktion. Medienbildung und Informatik“ die Herausforderungen der Digitalen Bildung vor, denen wir uns noch stellen müssen. Denn Digitale Medien sollen in der Schule nicht nur genutzt, sondern in ihrer Komplexität und Abstraktion auch verstanden werden – die Grundbedingung für eine nachhaltigen, tiefen Lernerfolg findet nur im Wechsel zwischen Strukturbildung und konkreter Aktivität, eben durch praktische Handhabung , statt. Indem Schüler und Studierende beim Lernen Prozesse, bspw. durch elektronische Modellbauten, erstellen und sich über ihre Konstruktionen austauschen, werden virtuelle und stoffliche Gegenstände gekoppelt und somit Prozessketten erfahrbar und verständlicher. „Die Technik darf nicht mehr als bloßes Hilfsmittel verstanden, sondern muss als eigene Kultur mit eigener Bedeutung und Qualität gesehen werden, was das Erlernen von technologischen Komponenten bedingt“, so Schelhowe, die damit eine stärkere Verankerung der Informatik in der Schule fordert, so dass ein Muster „of thinking und making!“ verinnerlicht wird. Hierzu muss das Lernarrangement zum Handeln und Denken über und mit dem Medium auffordern.
Eine Umsetzung dieser Forderungen ist nach Schelhowe nur möglich, indem Digitale Bildung einen zentralen Platz in der Lehrer- und sozialpädagogischen Aus-und Weiterbildung erhält. Zudem muss Digitale Bildung interdisziplinär zwischen Medienpädagogik und Informatik unterrichtet werden.
Jun.-Prof. Dr. Jasmin Bastian von der AG Medienpädagogik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz definierte in ihrem Vortrag genauer, welche Kompetenzen und Arten von Bildung „Digitale Bildung“ beinhalten sollte: Medienkompetenz, Digitale Kompetenz und Digitale Souveränität. Desweiteren erläuterte sie das rheinland-pfälzische Projekt „Medienkompetenz macht Schule“, welches mit Hilfe eines 10-Punkte-Programms die Medienkompetenz an Schulen weiterhin stärken soll. Wie auch ihre Vorredner plädierte Bastian für die Präzisierung der Fokussierung auf Lehrkräfte und deren Ausbildung, die zu vermittelnden Inhalte und ein funktionierendes Kooperationsnetzwerk für außerschulische Medienbildung.
In den nachmittäglichen Workshops zu den Themen Schulentwicklung, Lehrerfortbildung, Curriculum und Außerschulische Medienbildung setzten sich Referenten und Besucher_innen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammen, um Fragen und konkrete Handlungsmöglichkeiten, Digitale Bildung in Schulen zu etablieren, zu erarbeiten und zu diskutieren. „Was muss eine „Schule für die digitalisierte Gesellschaft“ vermitteln?“, „Wie sollen Fortbildungen und Konzepte zum Lernen im digitalen Wandel für Lehrende aussehen?“ oder „Was sind Anliegen, Anschlüsse, „Curricula“ und Stolpersteine von außerschulischer Medienbildung?“ – so lauteten nur einige der Fragen, auf die mögliche Antworten diskutiert wurden.
Ein Resultat der Workshops war, dass Schülerinnen und Schüler Freiräume benötigen, in denen sie bezüglich Digitaler Bildung freier und ohne konkrete Anleitungen durch Lehrkräfte agieren können. Die von Natur aus bestehende Neugier der Kinder an Medien, darf nicht durch starre Konzepte im Keim erstickt werden. Das Medienkonzept sollte deshalb gelebte Praxis sein, die einen dynamischen Prozess des Lernens voraussetzt.
Die Ergebnisse der Bildungsmediale 2016 wurden am frühen Abend auf dem Abschlusspodium festgehalten: vor allem in der Lehreraus-und Weiterbildung sollten Konzepte gefunden werden, nicht die Digitale Bildung in Schulen, sondern die Schulen in der Digitalen Bildung zu etablieren, da eine selbstbestimmte Gesellschaft ohne digitale Bildung nicht möglich ist. Umstritten ist jedoch noch, ob Digitale Bildung als eigenes Fach oder besser in alle Fächer integriert gelehrt werden muss. Fest steht außerdem, dass sich sowohl Kultur und Gesellschaft, als auch das Lernen selbst durch (digitale) Vernetzung stark verändern wird.