Chancen des digitalen Wandels ergreifen

Das Bild zeigt auf der linken Seite eine Frau, rechts einen Mann. Chancen des digitalen Wandels ergreifen
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Am 15. Dezember fand in der Hessischen Landesvertretung in Berlin die Trendtagung „Digital 2020″ statt. Im Mittelpunkt steht der Entschließungsantrag „Durch Stärkung der Digitalen Bildung Medienkompetenz fördern und digitale Spaltung überwinden“ der großen Koalition. Rund 90 Experten/-innen aus der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und der schulischen und außerschulischen Bildung werden die Ausgestaltung und Umsetzung dieses Antrages diskutieren und sich der Frage stellen, wie Digitale Bildung im Jahr 2020 aussehen kann. Im Vorfeld der Veranstaltung haben wir mit den Initiatoren des Antrages, den Bundestagsabgeordneten Saskia Esken (SPD) und Sven Volmering (CDU), ein Interview führen können.

AKSB-Inform: Was war Auslöser für den Entschließungsantrag, was sind seine Ziele?

Sven Volmering: Die Digitalisierung durchdringt immer größere Bereiche unserer Gesellschaft. Mit der Digitalen Agenda für Deutschland hat sich die Bundesregierung dieses wichtigen Zukunftsthemas angenommen. Auch für Bildung und Forschung bieten die digitalen Technologien enorme Chancen, die es zu potenzieren – aber auch Risiken, die es zu minimieren gilt. Ziel des Antrags der Fraktionen von CDU/CSU und SPD ist es, wie der Titel schon deutlich macht, den pädagogisch-sinnvollen Einsatz von digitalen Medien und Programme im Lehr- und Lernprozess zu stärken, gleichzeitig Medienkompetenz zu fördern und das über den gesamten Bildungsweg hinweg, um eine digitale Spaltung zu überwinden.

AKSB-Inform: Fachlich gab es an dem Begriff Digitale Bildung ja durchaus Kritik – was verstehen Sie konkret unter „Digitaler Bildung”?

Saskia Esken: #DigitaleBildung – das ist eine dieser typischen Verkürzungen, aber eben auch ein gesetzter Hashtag. Natürlich kann Bildung nicht digital sein – Bildung ist ein Prozess, der viel mit Interaktion und Beziehung zu tun hat und bestimmt nichts mit Nullen und Einsen. Wir bezeichnen damit die Bildung in einer und für eine digitalisierte Welt. Für mich geht es dabei um zwei wichtige Fragen:

Einerseits diskutieren wir hier, was Bildung für die Digitalisierung leisten muss, damit Schüler wie Erwachsene im lebensbegleitenden Lernen zur Teilhabe an einer digitalisierten Welt sowohl im gesellschaftlichen wie auch im beruflichen Umfeld befähigt werden. Es braucht dafür zahlreiche verschiedene Kompetenzen: von Medienkompetenz über eine informatische Grundbildung bis hin zu Kompetenzen, die uns Leben und Arbeiten im 21. Jahrhundert darüber hinaus abverlangen: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. Die Teilhabe an der modernen Gesellschaft wird durch solche Kompetenzen ermöglicht. Digitale Bildung macht so auch fit für den Arbeitsmarkt.

Andererseits geht es darum, was die Digitalisierung für die Qualität der Bildung tun kann. Was kann die Digitalisierung verbessern, wenn wir weg von der Wissensvermittlung hin zum Erwerb von Kompetenzen kommen wollen, wenn wir bessere Antworten auf die Verschiedenheit der Lehrenden und der Lernenden geben wollen? Besonders wichtig ist es mir dabei, dass die Digitalisierung zu mehr Bildungsgerechtigkeit und zu besseren Bildungschancen für alle Menschen beiträgt. Wir brauchen einen nachhaltigen, individuellen Ansatz der Bildung, auch außerhalb der Schule. Hier können digital unterstützte Bildungsprozesse und digital aufbereitete Lerninhalte einiges leisten!

AKSB-Inform: Welche Entwicklung erhoffen Sie sich durch den Antrag?

Saskia Esken: Schon von der öffentlichen Wahrnehmung der Erarbeitung und Beratung des Antrags gingen und gehen wichtige Impulse aus – und zwar in zwei Richtungen: Medienkompetenz und informatische Grundbildung müssen verpflichtender Bildungsinhalt in allen Bildungsstufen werden, damit Deutschland im internationalen Vergleich nicht immer weiter abgehängt wird – was ja etwa die aktuelle International Computer and Information Literacy Study (ICILS) aufzeigt. Ich habe den Eindruck, dass sich hier in den letzten anderthalb, zwei Jahren relativ viel bewegt und sich die Bundesländer durchaus Gedanken über ihre Bildungspläne oder über Bildungsplattformen machen.

Gleichzeitig muss der Kulturwandel des Lernens, den die Digitalisierung bedingt und benötigt, an den Bildungseinrichtungen individuell entwickelt und umgesetzt werden. Dazu braucht es Mut zur Veränderung und dazu braucht es auch Unterstützung. Da geht es um Bildungsprozesse, die vom Lernenden her gedacht sind, wo Impuls und Motivation zum Lernen vom Lernenden ausgehen. Das ist vielleicht ganz schön altmodisch, aber ich verstehe Bildung immer noch als einen Prozess der Aneignung der Welt. Im Zeitalter des allgegenwärtigen, freien Zugangs zum Wissen dieser Welt muss an die Stelle der Wissensvermittlung der Kompetenzerwerb treten, es geht darum, Wissen zu finden, kritisch zu bewerten, zu nutzen und es zu nach Kräften zu vermehren.

AKSB-Inform: Die Entwicklungen im digitalen Bereich sind rasant und strahlen auf den Bildungsbereich aus. Mit dem Antrag wird dagegen eine doch eher zähe parlamentarische Umsetzung der Antragsinhalte erreicht. Sind Sie dennoch mit dem bisherigen Verlauf der Beratungen zufrieden?

Sven Volmering: Die Entwicklungen im digitalen Bereich sind rasant, das ist richtig. Sie werden in den Bildungsinstitutionen aber nicht (in der Mehrzahl) umgesetzt und begleitet. Der Antrag war ein erster wichtiger Beitrag hierzu. Er ist Aufforderung an Bundesregierung, Kultusministerkonferenz und KMK, eine gemeinsame und umfassende Strategie „Digitales Lernen” auf den Weg zu bringen. Diese muss sowohl bei den rechtlichen Rahmenbedingungen, der technischen Ausstattung, als auch bei der Lehreraus- und Fortbildung und der curricularen Verankerung digitaler Bildung ansetzen. Eine solche Strategie kann nur gelingen, wenn auch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteure ihren Beitrag hierzu leisten.

AKSB-Inform: Welche Rückmeldungen gab es bereits aus den Bereichen Bildung und Wirtschaft?

Saskia Esken: Unser Antrag wird sehr positiv aufgenommen. Lehrkräfte, die digitale Medien in ihrem Unterricht einsetzen, und die vielen Medien- und Informatik-Didaktiker sind häufig Einzelkämpfer, aber viele sind mittlerweile recht gut vernetzt, und unsere politische Arbeit hat ihrer Basisarbeit hoffentlich Auftrieb gegeben. Vor allem aber hat die öffentliche Diskussion um das Thema #DigitaleBildung und um unseren Antrag die unterschiedlichen Akteure des Bildungssystems darüber ins Gespräch gebracht, welche Kompetenzen für die Teilhabe an einer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft gebraucht werden und wie wir damit in Deutschland und Europa vorankommen können.

Wir sind mit Akteuren auf den verschiedenen Ebenen und aus allen Bereichen im Gespräch, um die Entwicklung und Umsetzung einer gemeinsamen Strategie für digitales Lernen, wie sie auch die digitale Agenda der Bundesregierung vorsieht, weiter voranzubringen. Es ist jetzt an der Bundesregierung, dieses Vorhaben und damit auch den Beschluss des Parlaments umzusetzen. Die aktuelle Debatte bietet die Möglichkeit, dass wir im gemeinsamen Austausch Ideen und Konzepte entwickeln, um die Chancen des digitalen Wandels zu ergreifen und proaktiv zu gestalten.

AKSB-Inform: Welche Rolle kommt aus Ihrer Sicht den schulischen und außerschulischen Bildungsträgern bei der Umsetzung des Antrages zu? Welche Erwartungen haben Sie an die verschiedenen Akteure dieses Bereiches? Welche Aufgabe kommt den konfessionellen Anbietern zu?

Sven Volmering: Den schulischen sowie den außerschulischen Bildungsträgern kommt bei der Umsetzung des Antrags eine wichtige Rolle zu. Denn ganz konkret vor Ort müssen digitale Lernräume geschaffen werden, sowohl infrastrukturell, technisch, als auch zeitlich. Der Antrag fordert u.a., dass die Schulen bei der Erarbeitung eines jahrgangs- und fächerübergreifenden Medienbildungskonzepts als Schulprogrammteil aktiv begleitet werden. Im Kontext des lebensbegleitenden Lernens und der Überwindung der digitalen Spaltung der Gesellschaft ist es wichtig, dass Medienkompetenzvermittlung sowie die Anwendung und Nutzung digitaler Medien und Programme auch jenseits der schulpflichtigen Altersklassen angeboten wird. Hier sehe ich eine große Verantwortung der außerschulischen Bildungsträger, ein entsprechendes Angebot bereitzuhalten. Die konfessionellen Akteure bereichern und ergänzen darüber hinaus das (digitale) Bildungsangebot. So hat zum Beispiel die Diakonie in Niedersachsen eine Sprachlern-App entwickelt, die Flüchtlingen den Weg in den deutschen Alltag erleichtern soll. Bis zu 800 häufig benutzte Vokabeln kann diese in 50 Sprachen übersetzen und ermöglicht damit ein selbstständiges Deutschüben.

 

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Saskia Esken (*1961) ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages und vertritt dort den Wahlkreis Calw/ Freudenstadt. Für die SPD-Bundestagsfraktion ist sie Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie im Ausschuss Digitale Agenda. Als Informatikerin ist Saskia Esken stellvertretende netzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und zeichnet als Berichterstatterin unter anderem für die Themen Digitale Bildung und eHealth verantwortlich. www.saskiaesken.de

 

 

 

 

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Für den 39-jährigen Oberstudienrat Sven Volmering aus Bocholt ist es die erste Amtszeit als Mitglied des Deutschen Bundestages. Sven Volmering konzentriert sich bei seiner Mandatsarbeit im Bildungs- und Forschungsausschuss auf die Digitale Bildung und ist auch stellv. Mitglied im Sportausschuss. Der Abgeordnete für Bottrop, Dorsten und Gladbeck engagierte sich schon früh im politischen Bereich: Mit 15 Jahren trat Volmering in die Junge Union ein, ein Jahr später wurde er Mitglied der CDU. Hier war Volmering u.a. sechs Jahre lang als Landesvorsitzender der JU NRW und von 2010-2014 als stellv. Landesvorsitzender der CDU NRW aktiv. Volmering ist verheiratet. Die Familie ist mit einer kleinen Tochter gesegnet. www.sven-volmering.de

 

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