Medienkompetenzvermittlung für alle Lebensalter

Kleingruppe im World Café zum Thema Medienkompetenzvermittlung
Foto: Clearingstelle Medienkompetenz

Mensch, der Wissen weitergibt – Abendveranstaltung der Wissenschaftsallianz

Am 20.05.2015 veranstaltete die Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz in der Katholischen Hochschule Mainz ein World-Café zum Thema Medienkompetenzvermittlung – vom Baby bis zum Silver Surfer. Nach der Eröffnung durch den Rektor der Katholischen Hochschule Mainz, Herrn Prof. Dr. Martin Klose, folgte ein Vortrag des Leiters der Clearingstelle Medienkompetenz, Prof. Andreas Büsch.

Büsch zeigte hierin auf, welche Dimensionen Medienkompetenz hat und wie diese bei Menschen verschiedener Lebensalter gefördert werden können. Er betonte, dass Medienkompetenz alltagssprachlich meist verkürzt mit Technikkompetenz oder Digitaler Kompetenz (so z.B. in der  Digitalen Agenda) gleichgesetzt wird. Medienkompetenzvermittlung sollte, über die Bedienung von Endgeräten hinaus, jedoch vielmehr zum Nachdenken über Medien, unseren Umgang damit und unsere Kommunikation mit und über Medien anregen. MultiplikatorInnen, die anderen Menschen Medienkompetenz vermitteln, haben daher die Aufgabe sich im Hinblick auf das Thema aktuell zu halten und an geeigneten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen.

Nach dem Theorie-Input waren die TeilnehmerInnen aufgefordert, an insgesamt sechs Tischen mit jeweils zwei ModeratorInnen zu unterschiedlichen Schwerpunkten des Themas zu diskutieren. Untenstehend finden Sie die Ergebnisse der Diskussionsrunden, die wir aus den Mitschriften und der Feedbackrunde zusammengetragen haben.

Gehört Medienkompetenzvermittlung bereits in die Kita?

Moderation durch Christine Poulet, Leiterin der Stabsstelle Medienkompetenz des SWR in Mainz, und Christina Enders, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Clearingstelle Medienkompetenz

Die Frage, ob Medienkompetenzvermittlung bei den Kleinsten schon in den familiären Zusammenhang oder in die Kita gehört, wurde bejaht. Smartphones, Handys und Tablets gehören auch bei (Klein-)Kindern zur Lebenswelt und sollten somit im pädagogischen Kontext aufgegriffen werden. Das ist auch insofern wichtig, da Kleinkinder erst ab dem dritten Lebensjahr zwischen medial vermittelten Inhalten und Realität unterscheiden und eines erwachsenen Ansprechpartners bedürfen, um Medieninhalte einordnen zu können.

Aufgrund der notwendigen Förderung von Wahrnehmung und motoischen Fähigkeiten sollte der Schwerpunkt  frühkindlicher Medienpädagogik auf analogen Medien wie Bücher, Bauklötze, Musik, Wahrnehmungs-Spielen, Handpuppen etc. liegen. Es ist aber nicht sinnvoll, analoge Medien gegen digitale auszuspielen: Der pädagogisch begleitete Einsatz digitaler Medien in Kitas ist, vor allem in der Altersstufe der Vorschulkinder und wenn er Teil eines Kanons verschiedener Medien ist, für die Zielgruppe unbedenklich.

Strukturell müssten im Bereich frühkindlicher Medienpädagogik Eltern, Lehrer und (Medien-)PädagogInnen deutlich mehr als bisher an einem Strang ziehen. MultiplikatorInnen sollten ausreichend aus- und weitergebildet werden, um ihrer verantwortungsvollen Aufgabe nachkommen zu können. Auf Ebene der Bildungseinrichtungen muss an der konzeptionellen Verankerung der Medienkompetenzvermittlung gearbeitet werden.

Wer ist verantwortlich für Medienkompetenzvermittlung entlang der Bildungskette?

Moderation durch Julia Menz und Elisabeth Müller, beide Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen der Clearingstelle Medienkompetenz

 

Moderationskarte mit der Frage "Wer ist verantwortlich für Medienkompetenz entlang der Bildungskette?" und Stifte beim World Café zum Thema Medienkompetenzvermittlung
Foto: Clearingstelle Medienkompetenz

Die Teilnahme an der sozialen Kommunikation – beispielsweise durch politische Partizipation im Netz – ist ohne ein Mindestmaß an Medienkompetenz nicht möglich.  Nicht alle Menschen bringen jedoch die gleichen Voraussetzungen mit, um einen medienkompetenten Umgang mit Medien zu erlernen. Sowohl ausstattungs-, aber auch bildungsbezogene Benachteiligungen können den Zugang zu Medienkompetenzvermittlung einschränken. Es ist aus einem humanistischen Menschenbild heraus nicht zulässig, die Verantwortung der Medienkompetenzvermittlung auf das einzelne Individuum abzuwälzen; Medienkompetenzvermittlung ist eine gesellschaftliche Aufgabe.

Damit die Bildungschancen und die soziökonomische Ausstattung der Herkunftsfamilie nicht über Inklusion oder Exklusion in wichtige gesellschaftlichen Bereiche entscheiden, braucht  es flankierende Maßnahmen und entsprechende infrastrukturelle Rahmenbedingungen, um mit medienpädagogischen Angeboten auch schwer erreichbare Zielgruppen zu erreichen.

Folgende Fragen müssen dazu geklärt werden: Wie können Eltern stärker in die Pflicht genommen werden? Reicht die Integration medienpädagogischer Angebote in die formale Bildung aus? Und wenn ja, bedarf es eines Schulfachs zur Vermittlung von Medienkompetenz? Welche Zielgruppen werden nur durch informelle oder non-formale Bildungszusammenhänge erreicht? Welche Ansätze gelingender außerschulischer Medienkompetenzvermittlung gibt es bereits?

Castingshows, YouNow und Ballerspiele – sind Jugendliche medienkompetent?

Moderation durch Rahel Schmidt, BA Soziale Arbeit, und Christian Gottas, Medienpädage bei m+b.com

Medien spielen in der Lebenswelt von Jugendlichen eine wesentliche Rolle: Jugendliche nutzen Medien für ihre Zwecke – hierzu zählt vor allem kommunikations-, unterhaltungs-und informationsbezogene Mediennutzung. Durch die (Selbst-)Sozialisation mit Medien, sind Jugendliche im Bereich von Technik- und Bedienkompetenz gut aufgestellt. Das unterscheidet sie von der Gruppe der Silver Surfer, die sich die Bedienung von (digitalen) Medien teilweise hartnäckig erarbeiten müssen.

Eine zielgruppenorientierte Medienkompetenzvermittlung holt Jugendliche an diesem Punkt ab: Sie greift die Tatsache auf, dass Jugendliche ExpertInnen in Sachen Medienwissen und Mediennutzung sind, ihnen jedoch häufig die reflexive Distanz zur eigenen Mediennutzung fehlt. Ein intelligenter Jugendmedienschutz besteht deshalb einerseits aus (technischem) Jugendschutz und anderseits aus der Befähigung Jugendlicher zu einem kompetenten Umgang mit Medien. Zu letztgenanntem zählt, dass sich Jugendliche mit komplexen Themen wie Datenschutz oder Persönlichkeitsrechte auseinandersetzen, den Transfer zur eigenen Mediennutzung herstellen, um schließlich das eigene Handeln verantworten.

Damit Medienkompetenzvermittlung nicht an Jugendlichen vorbeigeht, sollte sie direkt an ihrer Lebensrealität ansetzen. Um PädagogInnen und Eltern einen Einblick in die Lebenswelt von Jugendlichen zu ermöglichen, sollten pädagogische Studien noch mehr als bisher den Medienumgang von Jugendlichen abbilden und praxistaugliche Instrumente zur Messung von Medienkompetenz der Zielgruppe wissenschaftlich erarbeiten. Medienkompetenzvermittlung muss von einer Bildungspartnerschaft zwischen Politik, Bildungseinrichtungen und Eltern verantwortet werden.

Kleingruppe im World Café zum Thema Medienkompetenzvermittlung
Foto: Clearingstelle Medienkompetenz

Ist Medienethik im digitalen Zeitalter möglich?

Moderation durch Prof. Andreas Büsch, Leiter der Clearingstelle Medienkompetenz und Prof. für Kommunikationswissenschaften und Medienpädagogik, Martina Stöppel, Geschäftsführerin der Initiative Medienintelligenz der JGU; Projektleiterin „Silver Tipps – sicher online!“ und Jonas Winzer, Koordinator des Projekts „Silver Tipps – sicher online!“ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Zu Recht muss gefragt werden, ob in einer digitalen, globalen, pluralisierten und ökonomisierten Gesellschaft Medienethik überhaupt noch und wenn ja, wie, möglich ist.
Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Prinzipien und Normen des Zusammenlebens, auch unabhängig vom Gegenstandsbereich der Medien, auszuhandeln. Es geht dabei heruntergebrochen auf Medien um nicht mehr und nicht weniger, als um die Frage, wie wir miteinander kommunizieren möchten und sollen. Dass es dazu einer Medienethik bedarf, ist allseits unstrittig; darüber hinaus geht es vor allem um die Entwicklung einer sittlichen Haltung in der Kommunikation, mithin um ein Medienethos. Weltweit gesehen bieten die Menschenrechte die geeignete Grundlage hierfür, zusätzlich sorgen christliche Werte für einen Orientierungsrahmen.

Die Bewertung von Medien vor dem Hintergrund christlicher und humaner Werte, geht über die persönliche Entscheidung, sich einem bestimmten Medium zuzuwenden und andere Medien außer Acht zu lassen, hinaus. Es muss auf überindividueller Ebene darum gehen, Medien(-inhalte) auf ihre gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen hin zu bewerten und hierbei auch die Stimme derjenigen MediennutzerInnen zu beachten, die selbst (noch) nicht über genügend Medienkompetenz verfügen, um sich in diesen Aushandlungsprozess einzubringen. Auf individueller Ebene geht es darum, sich der eigenen Wertentscheidungen in Bezug auf Medien bewusst zu werden, diese (auch öffentlich) zu vertreten und schließlich intergenerational weiterzugeben.

Medienethik, als Teilbereich der Medienkompetenz-Vermittlung, sollte in formalen, informellen und non-formalen Bildungszusammenhängen einen Platz haben. Eltern und PädagogInnen fehlt jedoch häufig selbst die Grundlage dazu, medienethische Diskussionen anzuregen. Das hängt auch damit zusammen, dass sie sich hierbei nicht an einem gesellschaftlichen Mainstream orientieren können. Aus diesem Grunde müssen sich MultiplikatorInnen dazu verpflichten, ihre Medienbildung aktuell zu halten und reflexive Diskurse anzuregen über die Werte und Normen, die unserer Mediennutzung zugrundeliegen. Pädagogisch-praktisch geht es vor allem Dingen darum, Regeln zum Medienumgang zu finden, erzieherisch Grenzen zu setzen und diese dann auch durchzusetzen.

Die Veranstaltung „Medienkompetenz vom Baby bis zum Silver Surfer“ fand im Rahmen der Wissenschaftsallianz Mainz statt, die 2015 unter dem Titel „Mensch der Wissenschaf(f)t“ steht. Informationen zu weiteren Veranstaltungen der Wissenschaftsallianz finden Sie hier: https://www.wissenschaftsallianz-mainz.de).

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