Den Troll umarmen?

Ein Mann hält ein Megaphon in die linke Bildhälfte. Ein anderer Mann hält sich die Ohren zu und eine Hand entgegen das Megaphon
Foto: Prachatai CC BY-NC-ND

Hate Speech, Trolle & Co – wie begegnen?

Die phantastischen, niedrigschwelligen Kommunikationsmöglichkeiten des sozialen Netzes sind zunehmend bedroht durch verschiedene Formen dysfunktionaler Kommunikation wie Mobbing, Trolling und Hate Speech. Ist das eine zwangsläufige Folge konsequent gelebter Meinungsfreiheit? Oder zeigen sich darin die negativen Aspekte der Netze? Und wie soll man mit diesen Phänomenen angemessen umgehen? In der Katholischen Akademie des Bistums Limburg im Haus am Dom, Frankfurt, fand dazu am 6. Juni 2016 ein Akademieabend in Kooperation mit der Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz an der Katholischen Hochschule Mainz statt.

Begriffe und fehlende Trennschärfe

Nach einem Begrüßungs-Statement von Dr. Daniela Kalscheuer, als Akademie-Referentin Leiterin der Veranstaltung, übernahm Christina Rolle, Assistentin des Leiters der Clearingstelle Medienkompetenz die Moderation des Gesprächs mit Kerstin Heinemann, medienpädagogische Referentin beim JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, München und Prof. Andreas Büsch, Leiter der Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz. Einleitend bat sie die beiden Disputanten des Abends um eine Begriffsklärung: mit Trollen wird das destruktive Einwirken auf online geführte Diskussionen bezeichnet, das – aus welchen Motiven auch immer des Trolls heraus – keinerlei Interesse an einer sachlichen Debatte, sondern möglichst Streit zum Ziel hat. Mit Hate Speech (Hassrede) werden dagegen Äußerungen bezeichnet, die in der Regel bereits Straftatbestände berühren, insbesondere Gefährdungen des Rechtsstaates im Zusammenhang mit verfassungswidrigen Organisationen (§86 und §86a StGB) und Straftaten gegen die öffentliche Ordnung, also Volksverhetzung (§ 130 StGB), Anleitung zu Straftaten (§ 130a StGB) sowie Gewaltdarstellungen und Aufstachelung zum Rassenhass (§ 131 StGB). Diese sollten unbedingt zur Anzeige gebracht werden.

Völlig trennscharf werden die Begriffe allerdings in der Netzdebatte nicht verwendet und auch die Strategien zum Umgang sind zumindest strittig: während Kerstin Heinemann die Auffassung „Don’t feed the troll“ vertrat, schlug Andreas Büsch vor, unsachliche Äußerungen nicht unkommentiert stehen zu lassen, insofern die damit verbundenen Ressentiments sonst im Sinne der Schweigespirale von Dritten für bare Münze genommen werden könnten. Auch dem „man wird ja wohl noch mal sagen dürfen …“ müsse mit einem klaren „Nein“ begegnet werden. Einige Beispiele in den sozialen Netzen wie z.B. die Reaktionen auf die Äußerungen des stellvertretenden AFD-Sprechers über den Fußballnationalspieler Jerome Boateng, zeigen sehr gut, wie kreativ und wirksam gegen solche Stimmungsmache Position bezogen werden kann.

Einigkeit bestand dagegen, dass gegen eindeutige Straftatbestände (Volksverhetzung, Aufforderung zu Straftaten etc.), wie sie häufig mit Hate Speech verbunden sind, entschieden durch Strafanzeigen vorgegangen werden muss. Allerdings zeigt die Debatte um Grenzen des Humors und der Satire angesichts z.B. der Causa Böhmermann auch, dass die Grenzziehungen nicht immer so klar sind. In einer lebhaften Diskussion mit dem Publikum vertrat Prof. Büsch die Auffassung, dass Meinungsfreiheit nicht schrankenlos gilt und Satire eben nicht alles darf, da sonst das Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 (2) GG) obsolet wird. Allerdings sei es dabei grundsätzlich notwendig, zwischen Privatpersonen und Personen des öffentlichen Lebens zu unterscheiden.

Zwischen Spaßstreit und Fertigmachen

Zum dritten Thema des Abends – Cybermobbing – konnte Kerstin Heinemann auf eine Studie ihres Instituts verweisen, die den Umgang Jugendlicher mit Online-Konflikten zum Thema hatte. Dabei stellte sich heraus, dass Jugendliche eine durchaus differenzierte Wahrnehmung von in sozialen Netzen ausgetragenen Konflikten haben, die vom Spaßstreit über Meinungsverschiedenheiten und Streit bis hin zum Mobbing. Außerdem unterscheidet sich ihre Wahrnehmung, was ein Konflikt ist, deutlich von der von Erwachsenen, da Sprache generationentypisch anders konnotiert wird: was für Erwachsene schon eine ausgewachsene Beleidigung ist, kann für Jugendliche je nach Kontext u.U. sogar Anerkennung ausdrücken. Daher haben Jugendliche auch weniger miteinander im Freundeskreis Konflikte, sondern am häufigsten mit Freunden von Freunden, die sie nicht mehr persönlich kennen.

Entsprechend hoch sind die Anforderungen an kommunikative Kompetenzen und entsprechend breit sind die Strategien zum Umgang mit Konflikten, die auf einer weiten Skala von Ignorieren als Deeskalationsstrategie bis zum zu diversen Techniken des Bloßstellens und Ausgrenzens als Eskalationsstrategien reichen.

Und was können wir tun?

Die engagierte Diskussion schloß mit der Feststellung, dass auch dieser Abend keine Patentrezepte bieten konnte, sondern dass es letztlich auf unser aller Engagement ankommt, ob wir die sozialen Netze den Trollen, Hatern und Mobbern überlassen – oder ob wir es schaffen, uns „für eine Kultur des Respekts, des Dialogs, der Freundschaft“ einzusetzen, wie Papst Benedikt XVI. es in seiner Botschaft zum 43. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel 2009 gefordert hat. Dabei muss sicherlich jede und jeder seine persönliche Grenze und Balance finden, wieviel er und sie in die Kommunikation online investieren kann und will. Klar scheint aber zu sein, dass wir keine neue Medienethik benötigen, sondern vielmehr eine Rückbesinnung auf die angesprochenen Werte – und offensichtlich immer wieder eine Debatte wie diesen Akademieabend, die diese Wertekommunikation thematisiert.

Weiterführende Literatur und Materialien

Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.) (2015): Geh sterben! Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet. URL: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/hatespeech.pdf

klicksafe.de (Hrsg.) (2019): Ethik macht klick. Werte-Navi fürs digitale Leben. URL: https://www.klicksafe.de/fileadmin/cms/download/Material/P%C3%A4d._Praxis/LH_Zusatzmodul_medienethik_gesamt.pdf 

Pfeifer, Melanie (2016): LOL !? Eine qualitative Untersuchung zu subjektiven Bewertungen von Onlinekonflikten unter Jugendlichen, In:  tv diskurs 76, H. 2/2016, S. 18-21. URL: https://mediendiskurs.online/beitrag/lol/

Wagner, Ulrike u.a. (Hrsg.) (2012): Wo der Spaß aufhört. Jugendliche und ihre Perspektive auf Konflikte in Sozialen Netzwerkdiensten. URL: https://www.jff.de/fileadmin/user_upload/jff/projekte/konvergenzstudien/Kurzfassung_Studie_Online-Konflikte.pdf

Einen Überblick über Materialien zum (medienpädagogischen) Umgang mit Cybermobbing und Hate Speech bietet die Materialübersicht Medienkompetenz der Clearingstelle Medienkompetenz, online unter: http://mekomat.de

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