Wer wir gewesen sein werden

Wer wir gewesen sein werden
Screenshot aus Wer wir gewesen sein werden
© Erec Brehmer

Worum geht`s?

Eckdaten des Films: Ein Film von Erec Brehmer und Angelina Zeidler
Länge: 81 Minuten
Erscheinungsjahr, Produktionsland: 2021, Deutschland
Produktion: Erec Brehmer
Empfohlen ab 12 Jahren
Schuljahre: ab Klasse 7

Für den Filmemacher Erec Brehmer bricht eine Welt zusammen, als seine langjährige Lebensgefährtin Angelina Zeidler bei einem gemeinsamen Verkehrsunfall stirbt. Mithilfe von Amateuraufnahmen, Sprachnachrichten, Tagebucheinträgen und gemeinsam gehörter Musik begibt er sich auf die Suche nach Orten und Situationen, in denen er seiner verstorbenen Freundin wiederbegegnen kann. So entsteht nicht nur ein kraftvolles, authentisches Dokument einer Trauerbewältigung, sondern auch eine sinnliche Aufforderung an das Leben.
Eine Geschichte über Identität nach dem Verlust eines geliebten Menschen – und eine Liebesgeschichte über den Tod hinaus. (Erec Brehmer)

Welche medienpädagogischen Themen werden im Film angesprochen?

  • Erinnerungskultur im digitalen Zeitalter
  • Umgang mit Trauer
  • Trauerbewältigung
  • Tod und Verlust
  • Mensch und Technik

Trauerbewältigung unter den Vorzeichen der Digitalität

Der November wird häufig mit dem Thema Tod und Trauer in Verbindung gebracht. Denn der Monat beginnt mit dem katholischen Totengedenken an Allerheiligen und Allerseelen und endet mit dem evangelischen Totensonntag am letzten Sonntag vor dem Advent. Dazwischen liegt der staatliche Volkstrauertag. Die Tage werden immer kürzer und nebliger. Durch diese Gedenktage, das triste Wetter und das Fallen der bunten Blätter in der Natur rücken Themen wie Vergänglichkeit und Tod, die damit verbundene Trauer und das Andenken an Verstorbene in den Fokus vieler Menschen.
Der Verlust einer geliebten Person, der Trauerprozess und die Erinnerungen sind immer individuell und persönlich. Sie stehen aber gleichzeitig in einem sozialen Zusammenhang. Es gibt Trauerprozesse und -phasen, die bei vielen Menschen ähnlich ablaufen. Dennoch verändern sich die Trauerkultur und der Umgang mit Erinnerungen und Andenken. Das liegt nicht zuletzt an den digitalen Medien, die eine neue Form des Erinnerns und neue Möglichkeiten der Präsenz von Verstorbenen zulassen.

Im Netz finden sich viele Möglichkeiten und Plattformen für die Erinnerung an verstorbene Personen. So entstehen neue Orte für das erinnernde Gedenken und einen Austausch über den persönlichen Verlust. Die Option der globalen Vernetzung ermöglicht es zugleich, Menschen zu finden, die einen ähnlichen Verlust erlebt haben und die sich mit denselben Fragen und Ängsten beschäftigen. Das Teilen der eigenen Gedanken und Gefühle auf den Social Media-Plattformen, sei es öffentlich oder anonym, kann den Trauerprozess unterstützen. Somit schafft das Internet eine dauerhafte Bühne für Austausch und Informationen zu den Themen Tod und Trauer. Insofern damit aber auch Trigger-Momente gegeben sein können, bietet es sowohl Chancen als auch Risiken für das Erleben von Krisenzeiten, Schocksituationen und individuelle Trauerprozesse.

Wer wir gewesen sein werden
Szenenbild aus Wer wir gewesen sein werden
© Erec Brehmer

Soziale Medien und Erinnerungskultur

Nach einem Todesfall spielen Erinnerungen an die bzw. den Verstorbene:n und der Austausch mit anderen Menschen, die einen vergleichbaren Verlust erleben, eine große Rolle. Die sozialen Medien bieten für diesen Aspekt der Trauer und für ein Erinnerungsgeschehen einen Raum, in welchem die Kommunikation der eigenen Gefühle und Gedanken einen Platz findet. Nun sind soziale Medien hauptsächlich bildbasierte Medien. Dank protabler Kameras, zum Beispiel in den allgegenwärtigen Smartphones, können Menschen schöne Momente und Erlebnisse in Form von Bildern und Videos für die Ewigkeit festhalten und online teilen. Dieser Wunsch und diese Art der Kommunikation sorgen dafür, dass viele Augenblicke des Lebens visuell festgehalten werden und eine Person auch nach ihrem Tod visuell präsent bleibt. Gleichzeitig verändert sich damit aber auch die Erinnerungskultur.

Visuelle Präzenz im Trauerprozess

Der Film „Wer wir gewesen sein werden“ treibt diese sichtbare, virtuelle Existenz auf die Spitze. Die verstorbene Freundin des Filmemachers Erec Brehmer spielt die Hauptrolle in dem Dokumentarfilm. Man sieht unzählige Fotos und Videos von ihr, während Erec Brehmer von seiner Trauer und seinen Fragen über die Zukunft, nach ihrem Tod, erzählt. Durch die Aufnahmen ihrer Lebendigkeit und ihrer Art zu interagieren wird Angelina Zeidler, gerade für die trauernden Angehörigen, immer wieder präsent und lebendig.

Diese virtuelle dauerhafte Präsenz Verstorbener verändert Trauerprozesse und den Abschied von einer verstorbenen Person. Zugleich zeigen solche Aufnahmen immer nur einen Teil der Person, deren Gedenken man bewahren möchte. Die bzw. der Verstorbene wird durch die Augen der Person gesehen, die die Bilder und Videos aufgenommen hat. Besonders auf Gedenk- und Erinnerungsseiten und auch in Filmen wie dem von Erec Brehmer sind die verfassten Texte und geschilderten Erlebnisse immer geprägt von der subjektiven Erfahrung der Autor:innen. Die Verstorbenen können nie in der ganzen Fülle ihres wirklichen Lebens gezeigt werden. Und dennoch hat man das Gefühl, durch die Aufnahmen in einem Austausch mit ihnen zu stehen.

Der Film „Wer wir gewesen sein werden“ berührt durch die Dokumentation des Prozesses der Trauer und des Abschieds und stellt dar, wie Bilder und Videos diese Prozesse unterstützen und gleichzeitig erschweren können. Es wird deutlich, dass auch Erinnerungsaufnahmen nicht helfen, die Frage nach dem „Wie geht es weiter?“ und der Zukunft in der analogen Realität zu beantworten. Die Sozialen Medien prägen und verändern die Erinnerungskultur, im positiven wie im negativem, und lassen dabei urmenschliche Fragen weiterhin offen.

Zum Einsatz in der (außer-)schulischen Medienarbeit mit Jugendlichen

Auch wenn das Teilen von schweren Verlusten in den sozialen Medien sehr präsent ist, sind Tod und Trauer doch häufig tabuisierte Themen. Denn Verlust, Tod und Trauer sind sowohl individuell als auch gesellschaftlich mit vielen Ängsten verbunden. Eltern versuchen häufig, ihre Kinder vor der Konfrontation mit dem Tod zu schützen. Dabei begegnen diese Themen auch Kindern und Jugendlichen regelmäßig. Bücher und Geschichten für Kinder erzählen von Tod und Trauer, genauso wie Filme, Videospiele und Plattformen im Internet. Aber auch der Austausch unter Gleichaltrigen beschäftigt sich mit dem Tod. Es kann dabei um ein verstorbenes Haustier, den Tod eines Verwandten oder die Nachrichten in Radio und Fernsehen gehen. Schließlich thematisieren viele Games Tod und Vergänglichkeit und regen somit dazu an, mit dieser Realität umzugehen.

Tod und Trauer mit Jugendlichen thematisieren

Um mit ihren Gefühlen und Gedanken zum Thema Tod umgehen zu können, soll Jugendlichen ein geschützter Raum angeboten werden, in dem sie diese verarbeiten können. Denn früher oder später kommt es unausweichlich zu Konfrontationen mit dem Thema. Umso wichtiger ist es, die Kinder und Jugendlichen altersgerecht an den Gegenstand heranzuführen und sie mit ihren Sorgen, Ängsten und Fragen ernst zu nehmen. In diesem Zusammenhang taucht die Frage auf, was den Menschen nach dem Tod erwartet. Damit geht es auch um die Dimensionen des Glaubens und der Frage nach Gott oder einer Transzendentalität. Die Beschäftigung mit dem Glauben im Hinblick auf den Tod ist für Jugendliche und die Entfaltung ihrer eigenen Weltanschauung sehr bedeutsam.

Kinder und Jugendlich kommen in ihrer Entwicklug irgendwann an den Punkt, an dem sie die Endlichkeit des Lebens verstehen und mit ihr umgehen müssen. Dabei können Gesprächsangebote in sensiblen Settings mit erwachsenen Bezugspersonen hilfreich sein. Die Beschäftigung mit Texten und Videos und die Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken, beispielsweise in der Schule oder in Jugendgruppen, bieten einen guten Rahmen. Der Film „Wer wir gewesen sein werden“ ermöglicht durch seinen Dokumentarcharakter einen distanzierten Blick auf das Thema. Dennoch ist er sehr emotial und aufwühlend. Es ist daher wichtig, die individuelle Ergriffenheit und die Gefühlslage der Jugendlichen wahrzunehmen und aufzugreifen.

Zum Einsatz mit Erwachsenen und Senior: innen

Noch häufiger als Kinder und Jugendliche sind Erwachsene und besonders Senior:innen mit dem Erleben von Tod und Verlust konfrontiert. Denn die Auseinandersetzung mit dem eigenen Lebensende ist eine zentrale Entwicklungsaufgabe für ältere Menschen. Dabei kann die Veränderung der Trauer- und Erinnerungskultur durch Digitalität und Social Media-Plattformen ein guter Anknüpfungspunkt sein. Die neue Dimension in der Auseinandersetzung mit den eigenen Verlusten und Todesfällen kann im Leben und Erleben der Erwachsenen und Senior:innen kontextualisiert werden.

In der Auseinandersetzung mit Erwachsenen und besonders mit Senior: innen kann der Glaube eine noch wesentlichere Rolle spielen als bei Jugendlichen. Die Perspektive auf den Tod kann gerade bei älteren Menschen noch deutlicher durch eine stark religiöse Erziehung geprägt sein. Daher bedarf es einer sensiblen und empathischen Auseinandersetzung mit den Gedanken, Ängsten und Hoffnungen in Bezug auf das (auch eigene) Sterben und den Tod.

Wer wir gewesen sein werden
Bild aus Wer wir gewesen sein werden
© Erec Brehmer

Anknüpfungspunkte für aktive Medienarbeit

Social Media – auch über den Tod hinaus?

Viele Menschen besitzen einen Account auf einer Social Media-Plattform, sei es bei Facebook, Instagram, Tiktok oder anderen. Doch die wenigsten beschäftigen sich damit, was mit dem Account und den Daten passiert, wenn die Menschen dahinter sterben. Inzwischen gibt es diesbezüglich gerichtliche Urteile sowie Mechanismen, die nach dem Tod einer Person auf der Plattform greifen. Die Teilnehmer:innen sollen in Kleingruppen nach Möglichkeiten recherchieren, wie mit Accounts nach dem Tod umgegangen werden kann. Welche Regelungen bestehen? Worauf muss man achten und wofür sollte ich selbst rechtzeitig Vorsorge treffen durch Vollmachten usw.? Anschließend werden die Ergebnisse auf einem Online-Interaktionsboard wie beispielsweise Taskcards gesammelt. Das Board kann um die Fragen ergänzt werden, welchen Umgang der einzelnen Plattformen die Teilnehmer:innen gut und welchen sie fragwürdig finden. Sie begründen ihre Meinung. Im Anschluss werden die Ergebnisse und Meinungen der Teilnehmer:innen im Plenum besprochen und diskutiert.

Bild- und Wortschnipsel-Collage

Eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Tod und Trauer ist in jedem Lebensabschnitt wichtig. Da das Thema sehr sensibel ist, kann es helfen, Raum für eine individuelle Begegnung mit den eigenen Gefühlen und Gedanken zu geben. Für diese Aufgabe begeben sich die Teilnehmer:innen auf die sozialen Medien, auf Blogs oder andere Websites. Dort scrollen sie durch die Beiträge und speichern sich Wörter und Bilder, die für sie im Zusammenhang mit Tod, Trauer und Verlust stehen. Anschließend gestalten sie aus den Wörtern und Bildern eine Collage. Dazu können sie beispielsweise das Bildbearbeitungstool Excalidraw nutzen. Am Ende können die Collagen auf Bildschirmen als kleine Ausstellung in den Gruppenraum gestellt werden. Jede:r kann dann durch den Raum gehen und die unterschiedlichen Collagen auf sich wirken lassen. Je nach Gruppe kann anschließend ein Austausch über das Wahrgenommene stattfinden.

Funktioniert die Trauerkultur und -bewältigung online?

Online gibt es inzwischen unzählige Angebote zum Umgang mit Tod und Trauer. Seien es Websites, auf welchen Angehörige eine Seite zum Erinnern an Verstorbene anlegen können, wie beispielsweise Gedenkenswert, oder solche, auf welchen User:innen eine digitale Kerze für Verstorbene anzünden können. Zusätzlich steigt das Angebot von Online-Trauerbegleitungen und digitalen Gruppen zum Austausch über den eigenen Verlust. Mit einer gemeinsamen Betrachtung verschiedener Websites und Beiträge sowie von Angeboten für Online-Trauerbegleitung kann ein guter Einstieg in eine Diskussionsrunde geboten werden. Die Teilnehmer:innen können darüber nachdenken, ob sie sich diese Art der Trauer und der Erinnerung für sich selbst wünschen würden. Gleichzeitig können auch die eigenen Verlusterfahrungen mit den Online-Angeboten in Verbindung gesetzt werden. Was hätte oder hat bei der eigenen Trauerbewältigung geholfen?

Digitales Erbe

Dieses Thema eignet sich besonders für die Arbeit mit Senior:innen. Die Teilnehmenden informieren sich im Internet zum Thema „Digitales Erbe“. Welche Möglichkeiten gibt es? Was muss geregelt werden und wie? Welche Vorkehrungen müssen für welche Dienste und Verträge getroffen werden? Soll eine Vollmacht für eine Vertrauensperson erteilt werden? Was geschieht mit den Geräten? Wo kann ich in den Einstellungen bestimmter Dienste festlegen, was mit meinem Account geschehen soll? Die Teilnehmenden sammeln die Informationen auf einem gemeinsamen Dokument, beispielsweise auf zumpad. Abschließend präsentieren sie ihre Ergabnisse im Plenum.

Weiterführende Materialien

Zu dem Film „Wer wir gewesen sein werden“ ist als Begleitmaterial ein Dokument erhältlich, das sich tiefgreifend mit dem Film und seinen Aussagen auseinandersetzt. In diesem Dokument finden sich zusätzliche weiterführende Aufgaben zu dem Film. Zudem ist ein Interview mit Erec Brehmer erschienen. Weitere Materialien zum Thema finden sich auf mekomat.de, beispielsweise zum Thema digitaler Nachlass. Ein weiterer Filmtipp, Die letzte Ruhe, beschäftigt sich mit dem Tod und der modernen Bestattungskultur.

Für wen?

Jugendliche ab 12 Jahren, Jugendliche, Erwachsene, Senior:innen

Bezugsmöglichkeiten

Der Film steht zum Download im Medienportal zur Verfügung. Zusätzlich kann er in einigen Medienzentralen als DVD ausgeliehen werden.

Fazit

Der Dokumentarfilm „Wer wir gewesen sein werden“ beschäftigt sich mit einer Lebensrealität, die im Alltag gerne ausgeklammert wird. Er thematisiert Fragen und Seelenzustände in Zusmmenhang mit dem Tod eines geliebten Menschen und löst eine starke Resonanz bei den Rezipient:innen aus. Die verstorbene Angelina Zeidler spielt die Hauptrolle. Die Zuschauer:innen bekommen das Gefühl, sie wirklich kennenzulernen. Dabei wirkt es so, als wäre die Verstorbene immer noch präsent. Erec Brehmer spricht in allen Sequenzen des Films ehrlich und offen über seine Gefühle und Gedanken und gibt so einen authentischen Einblick in eine mögliche Entwicklung des Lebens nach einem Schicksalsschlag und dem Verlust einer geliebten Person. Durch diese Authentizität fesselt der Film, berührt die eigenen Emotionen und regt zum Nachdenken über das Thema Tod, Trauer und Erinnern an.

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