
Worum geht’s?
Eckdaten des Films:
Ein Film von Tamara Denić
Länge: 29 Minuten
Deutschland/Serbien 2023
Produktion: Hamburg Media School
FSK 12, pädagogische Empfehlung: ab 14 Jahren
Schuljahre: Sek I ab Klasse 9, Sek II
Belgrad, 2022: Die Fotojournalistin Jelena arbeitet vorwiegend im Spektrum rechtsextremer Gruppierungen und dokumentiert deren Demonstrationen in Serbiens Hauptstadt. Nicht nur bei deren Aufmärschen wird sie bedroht, sondern auch in den Räumen der Redaktion und schließlich in der eigenen Wohnung, wovon auch ihre Mutter und ihre Tochter betroffen sind. Sie übersiedelt mit ihrer Tochter nach Deutschland und setzt dort ihre journalistische Arbeit im vergleichbaren Milieu fort. Nun erlebt sie auch in ihrer neuen Heimat die immer stärker werdende Bedrohung. Ihre Tochter wiederum vermisst ihre Oma und die Heimat. (vgl. Hamburg Media School)
Welche medienpädagogischen Themen werden im Film angesprochen?
- Pressefreiheit
- Meinungsfreiheit
- Fake News
- Hate Speech
- Social Media
- Wahrheit der Bilder
- Berichterstattung
- Demokratiebildung
Die Suche nach der Wahrheit – eine bedrohte demokratische Kompetenz
Der Titel des Films ISTINA bedeutet auf Deutsch „Wahrheit“. An mehreren Stellen im Film wird der Gegensatz aus Wahrheit und Lüge thematisiert. Am Morgen nach der Demonstration in Belgrad arbeitet Jelena in der Zeitungsredaktion an ihren Fotos. Ihre Kollegin zeigt ihr die Schlagzeile eines Konkurrenzblattes: „Skandal! Jelena Davidović: Die deutsche Spionin verbreitet wieder Lügen und Unwahrheiten.“ Erst jetzt bereiten die beiden Frauen ihren Artikel vor. Der Vorwurf der Lüge wird aus reiner politischer Gegnerschaft erhoben und hat nichts mit den tatsächlichen Vorkommnissen und Aussagen zu tun.
Im zweiten, in Deutschland spielenden Teil des Films ist mehrfach der Begriff der „Lügenpresse“ zu hören. Dieser Begriff hat bereits eine fast zweihundertjährige Geschichte. Im Kern steht hinter dem Begriff eine Verschwörungstheorie, die absurd klingt, aber als sehr einfache Lösung für ein komplexes Phänomen vielen Menschen reizvoll erscheint: Die Presse/die Medien seien von weltweit agierenden Drahtziehern und Machthabern gelenkt und gesteuert, um systematisch Unwahrheiten zu verbreiten und politische sowie gesellschaftliche Kontrolle zu übernehmen. Psychologisch handelt es sich auch bei dieser Verschwörungstheorie um eine Immunisierungsstrategie gegen Kritik und die Weigerung, sich mit Fakten auseinanderzusetzen. Stattdessen wird ein paralleles Weltbild entworfen.
Zur Abwehr von freier Berichterstattung gehört auch die Weigerung, Fotos zu akzeptieren. Mehrfach wehren sich im Film Menschen auf Demonstrationen dagegen, fotografiert zu werden. Zwar gibt es das Recht am eigenen Bild, aber es ist der Presse durchaus erlaubt, Personen auf öffentlichen Demonstrationen zu fotografieren (vgl. § 23 Nr. 3 KunstUrhG). Es gehört zur journalistischen Arbeit, Ereignisse des öffentlichen Lebens, die von allgemeinem Interesse sind, zu dokumentieren. Dies ist Teil der Wahrheit einer Berichterstattung.
Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland sind Meinungs- und Pressefreiheit zusammen als Grundrechte in Artikel 5, Absatz 1 garantiert:
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
Im Film wird dieses Zueinander von Meinungs- und Pressefreiheit durch die Verbindung von Jelenas Familie und einzelner Personen mit der journalistischen Berichterstattung verdeutlicht. Das Recht der öffentlichen Meinung hat Auswirkungen auf die Freiheit des Einzelnen und umgekehrt.

Fake News, Hate Speech und der Vorwurf „Lügenpresse“
ISTINA thematisiert an mehreren Stellen, dass es zu den von der Fotoreporterin Jelena aufgenommenen Bildern eine Gegenerzählung gibt: Die Bilder seien manipuliert, die dazugehörigen Berichte enthalten nicht die Wahrheit und die Autorinnen seien von fremden Mächten gesteuert bzw. korrumpiert.
Der Begriff der „Lügenpresse“ diskreditiert die journalistische Arbeit der engagierten Journalistin von vornherein und schließt damit aus, dass es vertrauenswürdige Quellen außerhalb der eigenen Netzwerke geben könne, eine Prüfung auf Wahrheit somit obsolet sei. Gewalt in Form von Hate Speech, Beschimpfungen und Drohungen im Netz verlässt den digitalen Raum und wird real zur Bedrohung.
Medienkompetenz stützt Demokratie
Die Kontrolle der drei Staatsgewalten (Legislative, Exekutive und Judikative) ist eine grundlegende, Demokratie stärkende Aufgabe der Medien. Transparente und wahrhafte Berichterstattung, Hinterfragen von Entscheidungen, Beobachtung und kritische Begleitung von gesellschaftlichen Entwicklungen sind Kennzeichen und zugleich Grundlage einer funktionierenden Demokratie. Daraus ergibt sich zugleich die Gefährlichkeit des Versuchs die sog. „vierte Gewalt“ in Misskredit zu bringen, sie durch Gewaltandrohung oder -einwirkung zu schwächen oder zum Schweigen zu bringen.
Medienkompetenz stärken bedeutet Menschen zu stärken, Medieninhalte kritisch zu hinterfragen, seriöse von unseriösen Quellen zu unterscheiden und gezielte Desinformation zu erkennen. Gleichzeitig wird hierdurch die freie und unabhängige Medienlandschaft geschützt: Informierte Menschen können bewusste Entscheidungen treffen und lassen sich nicht von manipulativen Inhalten oder populistischen Kampagnen beeinflussen.
Medienkompetenz fördern bedeutet, die Fähigkeit zur kritischen Bewertung von Informationen zu vermitteln – durch Quellenkritik, Faktenprüfung auf Herkunft, Intention und Grundlage sowie durch das Erkennen typischer Merkmale von Fake News. Ein Perspektivwechsel sowie ein grundlegendes Verständnis, wie Journalismus funktioniert, sind ebenfalls hilfreich und lassen sich gut anhand des Kurzfilms erarbeiten. Und nicht zuletzt sollte auch das eigene Medienverhalten reflektiert werden.
Zum Einsatz in der (außer-)schulischen Medienarbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Jugendliche und junge Erwachsene sind in ihrem Alltag einer permanenten Flut von Informationen und Bildern ausgesetzt. Hier gilt es, Inhalte und Darstellungsweisen kritisch zu prüfen und zu bewerten, wichtig von unwichtig, wahr von unwahr unterscheiden zu lernen.
Die Rolle und Bedeutung der Presse- und Meinungsfreiheit für die Demokratie und für die Gesellschaft wird im Kontext der Gesetzeslage ausgelotet und diskutiert. Teil der Auseinandersetzung mit dem Thema sollten das Auffinden relevanter, vertrauenswürdiger Quellen und deren Überprüfbarkeit sein. Ziel ist es, die Kompetenz des kritischen Sehens zu stärken, die angeleitet eingeübt wird. Dies kann auch vor dem Hintergrund eigener Medienerfahrung geschehen. Es bieten sich hierfür digitale Spiele und Tools an. Eine Möglichkeit der praktischen Umsetzung soll kurz vorgestellt werden:
Auf Social Media nehmen Jugendliche und junge Erwachsene Berichterstattung und Mediengestaltung selbst in die Hand, erleben positive und negative Reaktionen und reagieren darauf mit unterschiedlichen Strategien. Ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen knüpfen sie an das im Film gezeigte Engagement an. Sie diskutieren über die Bereitschaft zu diesem enormen persönlichen Einsatz für die Gewinnung von authentischen Bildern und die Bereitstellung von Information. Dies geschieht auch auf Basis der Zahlen der in Ausübung ihres Berufes verletzter Journalist:innen. (https://www.reporter-ohne-grenzen.de/jahresbilanz/2024).
Die Auswirkungen von politischem Extremismus werden untersucht und es wird erarbeitet, welche Faktoren Demokratie fördern. Dabei unterstützen Rollenspiele, die Perspektivwechsel ermöglichen, die Erarbeitung journalistischer Inhalte, Analyse von Informationsquellen und Social-Media-Inhalten, Faktenchecks, vergleichende Quellenarbeit sowie das Aufdecken von Desinformation.
Zum Einsatz mit Erwachsenen und Senior:innen
Im Bereich der Erwachsenenbildung lassen sich Bezüge zu den Themenfeldern Wahrheit und Erkenntnis/Wahrhaftigkeit und Lüge herstellen. Die Frage nach dem Wert von Informationen in Wort und Bild ist für alle Generationen in Zeiten digitaler Transformation (was auch digitale Reproduktion und Veränderung einschließt) von hoher Dringlichkeit.
In den Bereichen Demokratieförderung, Extremismus und Meinungsfreiheit bzw. Menschenrechte ist der Film vielfältig einsetzbar. Hier bietet sich mithilfe von analogen und digitalen Quellen ein Ländervergleich an, wie ihn auch der Film mit Serbien und Deutschland nahelegt.
Auch die Themen Familie und (weibliche) Selbstbestimmung eignen sich gut als Ansatzpunkte zum Gespräch.

Anknüpfungspunkte für aktive Medienarbeit
Pressefreiheit
Die Teilnehmer:innen arbeiten in Kleingruppen oder als Tandem zusammen. Die Aufgabe ist die Recherche der Situation der Pressefreiheit in verschiedenen europäischen Ländern. Die Vereinigung „Reporter ohne Grenzen“ (Reporters sans frontières, RSF) stellt auf ihren Websites dazu regelmäßig aktuelle Informationen und Daten bereit. Anschließend werden die Ergebnisse auf einem virtuellen Interaktionsboard wie beispielsweise Taskcards gesammelt. Dort können die Teilnehmer:innen die Situationen der nationalen Presse vergleichen und Ursachen für die Unterschiede diskutieren.
Fake News
Die Überprüfung des Wahrheitsgehaltes von Meldungen, Informationen oder Nachrichten über Social Media gehört für jungen Menschen mittlerweile genauso zum Alltag wie für ältere Generationen – oder: sollte selbstverständlich zum Alltag gehören. Neben Angeboten von Institutionen und Medienpädagog:innen gibt es bereits zahlreiche Materialangebote, die auch im MEKOMAT zu finden sind, z. B. in Form von Spielen wie Fight Fakes oder als Übungsmaterial sowie als Unterrichtsreihe.
Berichterstattung
Wie entstehen Nachrichten? Was macht eine Information zu einer Nachricht? Wer wählt aus und nach welchen Kriterien? In Kooperation mit DASDING, planet schule, Familie online und dem X-Lab hat das Team Medienkompetenz des SWR ein Serious Game veröffentlicht: Das Online-Spiel Nachrichtenmacher eignet sich sehr gut dazu, mit diesen Fragen spielerisch umzugehen.
Demokratiebildung
Gut geeignet für die Förderung von Dialog, kritischem Denken sowie politischer Teilhabe und damit der Vertiefung des Demokratieverständnisses sind digitale Spiele und Tools, wie zum Beispiel Augen auf, Deine Stimme, Swipe Away (https://swipeaway.de/) sowie Hidden Codes (https://game.hidden-codes.de/)
Weiterführende Materialien
Weitere Materialien zum Thema Fake News oder Hate Speech finden sich auf mekomat.de, beispielsweise zum Thema Meinungsbildung. Zudem gibt es weitere Filmtipps zum Thema, wie Irrationalismus oder Fake News. Diese beschäftigen sich mit Verschwörungstheorien oder dem Problem der Falschmeldungen bzw. gezielten Irreführung.
Für wen?
Jugendliche ab 14 Jahren, Erwachsene, Senior:innen
Bezugsmöglichkeiten
Der Film ist bei verschiedenen Medienzentralen zur digitalen Ausleihe verfügbar, zu finden im Medienportal.
Die DVD mit Vorführrechten oder eine digitale Version des Films kann beim Katholischen Filmwerk bezogen werden.
Fazit
ISTINA setzt sich mit der Presse- und Meinungsfreiheit am Beispiel einer Fotojournalistin auseinander. Ihre Arbeit stößt auf Demonstrationen auf direkten Widerstand von Teilnehmenden. Angriffe erfolgen aber auch in den sozialen Medien durch Hasskommentare und verbale Diffamierungen. Diese Bedrohungslage, die sich auch in körperlicher Gewalt äußert, setzt sich nicht nur digital, sondern auch analog in den privaten Raum der Journalistin fort. Die Gefährdung der eigenen Familie führt zum Verlassen des Heimatlandes Serbien. In Deutschland setzt sich die Bedrohungslage unter nur leicht veränderten Rahmenbedingungen fort. Das persönliche Schicksal wird auf diese Weise zu einem Beispiel einer bedenklichen Entwicklung, die nicht auf einzelne Länder beschränkt ist: Generell erleben Reporter:innen zunehmende Pressefeindlichkeit und ein verengtes Verständnis von Pressefreiheit. Denn viele Menschen sehen Berichterstattende, die nicht ihrem eigenen politischen Spektrum entstammen, mittlerweile als Gegner an. Meinungsfreiheit als Toleranz gegenüber Andersdenkenden geht immer mehr zurück zugunsten eines auch mit Gewalt geforderten Rechts auf den Schutz (nur) der eigenen Meinung. ISTINA bietet sehr gute Ansatzpunkte, um sich mit den (weiterhin) aktuellen Themen Presse- und Meinungsfreiheit, Berichterstattung sowie den Auswirklungen von Fake News und Hate Speech auseinanderzusetzen.