Eindrücke vom ersten katholischen Medienkongress
Ob die Veranstalter bewusst die Assoziation von der Unwahrscheinlichkeit gelingender Kommunikation hervorrufen („Mission Impossible“) oder nur eine alliterierende Modernisierung des Missionsbegriffs herstellen wollten, liegt allein im Auge des Beobachters. „Mission Medien“ lautete der Titel für den ersten katholischen Medienkongress Ende Oktober 2014 in Bonn, angekündigt wurden „Zukunftsszenarien kirchlicher Kommunikation“.
Die gab es weniger, dafür endlich so etwas wie einen Branchentreff kirchlicher und kirchennaher Kommunikationsexperten. Ins Funkhaus der Deutschen Welle in Bonn kamen fast alle mit Rang und Namen in der katholischen Medienarbeit, von Journalisten über Geschäftsführern bis hin zu ganzen Pressestellen, Verantwortlichen kirchlicher Medienarbeit und aus dem wichtigen Feld der Medienbildung. Ein naturgetreues Spiegelbild der heterogenen und oftmals zersplitterten katholischen Medienlandschaft.
Damit steht der Fachkongress als vorerst jüngste Errungenschaft in einer Reihe von (katholischen) Aktivitäten der letzten Jahre, die der immer wieder beschworenen Bündelung von Kräften und Ressourcen dienen: genannt seien bspw. die Einrichtung des katholischen Medienhauses in Bonn, die Etablierung einer katholischen Internetplattform („katholisch.de“), die Herausgabe eines katholischen Medienhandbuches, das als Sammelband vielerlei Aktivitäten darstellt und nicht zuletzt die jährliche Verleihung des katholischen Medienpreises, die – diesmal am Abend des ersten Kongresstages, aber als eigene Veranstaltung einen stimmungsvollen Höhepunkt des katholischen Medien-Engagements bildete. Dieser Event ist mit der Würdigung eines exzellenten qualitäts- und werteorientierten Journalismus inzwischen vorbildhaft für die Anliegen im publizistischen Portfolio der Deutschen Bischofskonferenz sowie der Mitveranstalter Gesellschaft Katholischer Publizisten und Katholischen Medienverband .
Der Medienkongress könnte ein Meilenstein in der Geschichte der katholischen Medienarbeit gewesen sein, so er nicht folgenlos bleibt. Denn er bot nicht nur Austausch, Diskussion und Weiterbildung in mehreren Foren unterschiedlichen Niveaus, sondern auch zwei Vorträge, die für die katholische Medienarbeit wegweisend sind.
Es lohnt sich, das Video der Keynote von Dr. Paul-Bernhard Kallen, Vorstandsvorsitzender der Burda AG, anzusehen. Sein Vortrag „Medien im Wandel“ ist nicht nur eloquent und unterhaltsam, er macht auch auf fast brutale Art deutlich, wie sehr Content zur Ware geworden ist. Eine Ware, die zu produzieren und zu vertreiben es keine Hauptamtlichen braucht, keine Menschen mit Berufsethos, ja meist nicht einmal Journalisten mit entsprechend handwerklicher Ausbildung. Die Schlacht, die auf den Märkten dieser Welt geschlagen wird, wird entschieden durch die Technik, Marktbeschränkungen, Innovationstempo und Konsumentenbedürfnisse. Es geht allein darum, welches Geschäftsmodell für die großen Medienhäuser und Internetkonzerne am lukrativsten und effektivsten ist. Das ist die eine, die technische, die kapitalistische Seite der Entwicklung, hinter der die Kirche aufgrund ihrer Struktur, ihres Denkens und ihres Personals oft (zu) weit hinterher hinkt. (Kallen bot dem anwesenden Medienbischof Gebhard Fürst ein Praktikum an, damit Kirche diese „Revolution“ besser versteht. Letzterer nahm an unter der Bedingung, dass Kallen auch zum Praktikum bei ihm kommt.) Also: The Medium is the message, but it‘s only for the profit.
Den Gegenpol dazu bildete am zweiten Tag des Kongresses der Mann, der den Papst zu Twitter brachte. Das Bild, wie der greise Papst Benedikt XVI. im Juni 2011 umringt von fürsorglichen Klerikern vor einem Tablet-Computer sitzt und einen Tweet absetzt, hat sich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt. Initiator und mit verantwortlich dafür war Prälat Paul Tighe, Sekretär des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel. Sein Vortrag (im Link das Video) auf dem katholischen Medienkongress machte deutlich, dass die Bedeutung der neuen Medien längst innerhalb des Vatikans richtig eingeschätzt wird. Nicht nur der Wert des Accounts @pontifex, den Benedikt XVI. einrichten ließ und den derzeit Papst Franziskus mit über 16 Millionen Followern sehr erfolgreich nutzt, ist unbestritten. Tighe wies eindrücklich auch auf den symbolischen Wert der Initiative (das hin, „der die gesamte Kirche daran erinnert, dass wir uns auf allen Ebenen im digitalen Raum einbringen müssen“. (* Alle Zitate aus dem Redeskript in deutscher Übersetzung) [Link entfernt, da veraltet; edit 05.11.21].
Die Frage, ob soziale Medien vielleicht nur eine vorübergehende Zeiterscheinung sind, die man vernachlässigen kann, ist im Vatikan also definitiv beantwortet. Dort hat man erkannt, dass Kirche einen rasant größer werdenden Teil der Gesellschaft nicht mehr erreichen wird, wenn sie in den sozialen Medien nicht präsent ist. Dieses Zukunftsszenario ist also längst Wirklichkeit geworden. Tighe zitierte eine britische Studie von 2013: Persönliche Identität bei jungen Menschen wird immer stärker durch Online-Interaktionen in den sozialen Netzwerken geformt, während z.B. Religion, ethnische Herkunft, Beruf und Alter weniger wichtig seien als früher. Kirche muss also präsent sein und zwar so, dass sie „die einzigartige Kultur dieses Mediums anerkennt und auf diese eingeht“.
Authentizität und Sprache
Es geht also um Authentizität, nicht um Strategie und Technik oder gar um Kommerz. „Wenn unsere Botschaften die Menschen nicht ansprechen, die Interesse zeigen, sie kommentieren und uns dazu befragen, werden sie kein Publikum finden und wir laufen Gefahr, mit uns selbst zu reden“, sagt Tighe. In den sozialen Medien funktioniert nicht die Pressemitteilung oder Predigt, sondern vor allem der Dialog! Aufmerksamkeit erringen wir durch die Qualität unserer Beiträge, durch Dialogfähigkeit und die Auseinandersetzung mit den Fragen und Debatten, die bereits im öffentlichen Interesse stehen.
Unsere Kommunikation wird effektiver sein, so Prälat Tighe, wenn wir nicht so sehr auf Worte und Text setzen, sondern uns über Bilder, Videos, Musik und Gesten ausdrücken. Eigene Erfahrungen stützen diese These. Wir müssen als Kirche wieder lernen, die Menschen mit einfachen Sätzen, erinnerungswürdigen Bildern und Gleichnissen, authentischem Auftreten und ja, auch mit Emotionen zu erreichen. Schwer genug.
Identität
Als Kirche besitzen wir viele Elemente eines Markenkerns. Das macht uns unverwechselbar. Deswegen lohnt es sich, diese Identität auch in den Sozialen Medien zu kommunizieren und immer wieder zu betonen. Doch muss die Kommunikation übereinstimmen mit unseren Werten, unserer Haltung. „Wer wir sind und wie wir uns verhalten, wird immer lauter sprechen als unsere Worte“, sagt Prälat Tighe. Christen sollen die andere Wange hinhalten. Das lässt sich übertragen auch auf die sozialen Medien. Unsere Identität wird konterkariert, wenn wir in den sozialen Medien der Versuchung erliegen, auf schrille, gewalttätige unsachliche Kommentare ebenso zu antworten. Es geht darum, eine authentische Kultur der Begegnung zu schaffen, anstatt Zwist und Verbitterung zu zulassen. Im Vatikan hat man begriffen, welche Chancen im offenen Dialog liegen. Etwa fünf Prozent der Antworten an den Twitter-Account @pontifex sind schwer beleidigend und manchmal strafrechtlich relevant. Doch die Antwortfunktion wird nicht abgeschaltet.
Der erste katholische Medienkongress hat gezeigt, mit welchem Engagement und an wie vielen Stellen kirchliche Medienarbeit betrieben wird – und oftmals tatsächlich hochprofessionell und wirklich gut gemacht wird. Vor allem bei vielen jungen Journalisten und Medienschaffenden sind eine Bereitschaft zur Kooperation, zum gegenseitigen Lernen und eine Begeisterung für ihre Tätigkeit zu beobachten. Um diese Haltung zu stärken braucht es auch in Zukunft ein Forum für den Austausch, die Begegnung und Inspiration. Auf dass Kommunikation wider alle Unwahrscheinlichkeit doch noch gelingt.
Markus Lahrmann
Markus Lahrmann ist Chefredaktuer der Zeitschrift „Caritas in NRW“ in Düsseldorf.
Hier ein Video von katholisch.de zum Kongreß
[Edit 05.11.21 veralteter Link entfernt]