
Worum geht`s?
Eckdaten des Films:
Ein Film von Hans Block und Moritz Riesewieck
Länge: 87 Minuten
Erscheinungsjahr, Produktionsland: 2024, Deutschland/USA
Produktion: Christian Beetz und Georg Tschurtschenthaler
empfohlen ab 12 Jahren
Schuljahre: ab Klasse 7
„Menschen aus aller Welt nutzen Services, die mit Künstlicher Intelligenz Tote „zum Leben erwecken“. Der Film begleitet die Pioniere und ersten User einer Technologie, die den Tod obsolet machen will. Joshua chattet Tag und Nacht mit dem digitalen Klon seiner verstorbenen ersten Liebe und lässt sie an seinem Alltag teilhaben. Christi möchte nur die Bestätigung, dass es ihrem verstorbenen besten Freund im Himmel gut geht, hat aber eine erschütternde Erfahrung mit seinem KI-Konterfei. Jang Ji-Sung trifft den VR-Klon ihrer verstorbenen 7-jährigen Tochter. Die Erfinder der Dienste lehnen jede Verantwortung für die tiefgreifenden psychologischen Folgen dieser Erfahrungen ab. Zahlreiche Wettbewerber hoffen auf einen lukrativen Markt, da religiöse und kollektive Trauerformen an Relevanz verlieren. Ist das der Anfang vom Ende der Endlichkeit?“ (© Eternal You)
Welche medienpädagogischen Themen werden im Film angesprochen?
- Künstliche Intelligenz
- Tod und Trauer
- Virtuelle Realität
- Trauerbewältigung
- Verlust
- Erinnerungskultur
Eternal you – Tod und Trauer im Kontext neuer Möglichkeiten
Die Frage, was nach dem irdischen Leben geschieht, ist seit jeher ein zentraler Bestandteil der menschlichen Existenz. Im Laufe der Menschheitsgeschichte gab es unzählige Ideen und Antworten dazu. Die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod bündelt sich in den verschiedenen Mythologien und ist wesentliches Thema vieler Religionen. Die meisten dieser Vorstellungen reichen bis in die Antike und in noch frühere Zeiten zurück und haben eine lange Rezeptionsgeschichte. Für viele Jahrhunderte war der religiöse Glaube an ein Leben nach dem Tod eine feste Voraussetzung für die Menschen, geprägt durch gesellschaftliche Zusammenhänge, die Machthaber und die Kirche(n) der jeweiligen Zeit.
In den letzten Jahrzehnten verlieren Glaube und Religion für immer mehr Menschen an Relevanz. Durch den Wegfall einer allgemein vorausgesetzten religiösen Vorstellung müssen Menschen erneut nach Antworten auf die Frage nach einem Leben nach dem Tod suchen. Dabei kommt es zu neuen Ideen, hervorgebracht und gestützt durch neue Möglichkeiten der Digitalität. Die Entwicklung neuer Programme und neuer Bildgebungsverfahren schreitet gerade in den letzten Jahren mit großen Schritten voran. Vor allem Künstliche Intelligenz ermöglicht immense Fortschritte und völlig neue Möglichkeiten – nicht unumstritten und Gegenstand reger gesellschaftlicher und politischer Diskurse. Tod, Verlust und Trauer bleiben dabei nicht außen vor. Die digitale Auseinandersetzung mit dem Tod findet großen Anklang und wird als Ersatz für verloren gegangen Glaubensinhalte wahrgenommen. Das ist Gegenstand des Dokumentarfilms „Eternal You“.
Neue Möglichkeiten der Trauerarbeit
Durch die Sozialen Medien und die smarten Geräte hat sich auch die Trauerkultur gewandelt. Mit dem Smartphone ist immer eine kleine portable Kamera dabei, die jeden erlebten Augenblick unkompliziert aufnehmen und quasi für immer festhalten kann, über den Tod von Menschen hinaus. In den Sozialen Medien ist es keine Seltenheit, dass Hinterbliebene Trauerseiten gestalten, auf welchen sie Aufnahmen aus Lebzeiten ihrer Verstorbenen teilen.
So war es nur eine Frage der Zeit, bis sich Entwickler:innen, Startups und große Tech-Unternehmen mit den Möglichkeiten beschäftigten, Menschen auch über den Tod hinaus in einer digitalen und virtuellen Realität weiter existieren zu lassen. Gerade durch die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz und die damit einhergehenden neuen Optionen entsteht in diesem Bereich ein großer Markt.

Veränderung von Jenseitsvorstellungen durch Technik
Ein wesentliches Thema ist dabei, durch den Einsatz von KI virtuell erzeugte Abbilder von Verstorbenen mit Angehörigen interagieren und kommunizieren zu lassen. Diese Interaktion funktioniert in Form von schriftlichen Chats, digital erzeugten Stimmen oder Avataren in Videos. „Eternal You“ dokumentiert im Rahmen einer TV-Show eine virtuelle Realität, in der man mit den Avataren der Verstorbenen interagieren kann. Damit zeigt sich einmal mehr, dass eine Kultur der Digitalität (Stalder) völlig neue Handlungsräume und Interaktionsmöglichkeiten eröffnet. Der Dokumentarfilm von Block und Riesewieck zeigt die Ambivalenz dieser neuen Technik auf und stellt die Frage, ob eine solche Interaktion mit Verstorbenen ethisch vertretbar ist.
Die Arbeitsweise von KI ist selbst für Programmierer:innen in manchen Teilen eine Black-Box, insofern die Entscheidungswege der Maschine nur bedingt kontrollierbar oder deren Output nicht völlig vorhersehbar ist. Ihre Nutzung birgt damit stets die Gefahr, ein ungewolltes Ergebnis zu erhalten. Diese Tatsache ist gerade bei der Interaktion mit trauernden Personen ein Problem. Trauernde, die einen geliebten Menschen verloren haben, sind extrem vulnerabel. „Eternal You“ zeigt, dass die Nutzung von KI-Modellen auch verletzend und schädigend sein kann. So kann es beispielsweise passieren (wie im Film dargestellt), dass die KI den Angehörigen erzählt, die verstorbene Person sei in der Hölle. Das kann Verstörung oder große Ängste auslösen. Gleichzeitig zeigt die Dokumentation aber auch Angehörige, denen es durch die Interaktion mit einem Avatar ihres Verstorbenen gelungen ist, besser mit seinem Tod abschließen können.
Ambivalente Sichtweisen zur Nutzung von KI in der Trauerarbeit
Bei dem beschriebenen Umgang mit einem virtuellen „Weiterleben“ nach dem Tod bleiben einige Punkte offen. Zunächst stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit für die Folgen des Einsatzes eines solchen KI-Produktes. Entwickler:innen und Unternehmen, die solche Services anbieten, sehen sich nicht in der Verantwortung, sondern berufen sich auf die Entscheidungsfähigkeit erwachsener Menschen. Bisherige Erfahrungen zeigen aber, dass Menschen oft nicht zwischen Realität und Artifizialität unterscheiden können. Eine Wissenschaftlerin, die in der Dokumentation zu Wort kommt, beschreibt, dass Menschen dazu tendieren, Artefakte als lebend wahrzunehmen, mit denen sie interagieren können. Das heißt, dass es für Menschen schwierig ist, zu unterscheiden, was echt und was virtuell ist, besonders dann, wenn der Computer mit der Stimme des Verstorbenen spricht oder der Avatar das Gesicht des Verstorbenen trägt.
Für die Unternehmen, die mit KI-Modellen arbeiten, geht es darum, Geld zu verdienen und Menschen dazu zu bewegen, Geld in das Unternehmen zu investieren. Diese Gewinnorientierung fließt in die Interaktionen der Avatare oder Chat-Bots mit den Hinterbliebenen ein. Die Unternehmen wollen die Nutzer:innen dazu bewegen, mehr Geld zu investieren und die Plattform intensiver zu nutzen.
Es stellt sich auch die Frage nach den Daten, welche von den Entwickler:innen verwendet und gespeichert werden, um die KI auf eine Person hin zu trainieren. Wem gehören die Daten der verstorbenen Person? Wie kann beeinflusst werden, in welche Richtung die KI sich diesen Avatar entwickeln lässt? Wie lange werden die Daten gespeichert und für welche Zwecke können und dürfen sie verwendet werden? Diese Faktoren und Risiken gilt es zu beobachten und abzuwägen.
Zum Einsatz in der (außer-)schulischen Medienarbeit mit Jugendlichen
Die Existenz und die Nutzung von KI ist für die meisten Jugendlichen inzwischen zum Alltag geworden. Die Beschäftigung mit dem Tod hingegen ist häufig eher ein tabuisiertes Thema, gerade unter Kindern und Jugendlichen. Dennoch finden Verlust und Trauer in ihrem Leben und Erleben statt. Auch religiöse Vorstellungen und die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit spielen beim Heranwachsen eine Rolle. Die neuen digitalen Angebote im Kontext von Tod und Verlust, die Möglichkeiten der Trauerbewältigung darstellen, können damit Teil dieser Auseinandersetzung sein. Jugendliche, die auf einen technikbasierten Arbeitsmarkt vorbereitet werden und die zukünftige Ethiker:innen, Jurist:innen und Informatiker:innen sein können, sollten sich frühzeitig mit solchen Angeboten auseinandersetzen. Es ist wichtig, ihnen einen Rahmen dafür zu geben, die eigenen Werte und Gedanken in einem geschützten Raum zu diskutieren, sich eine eigene Meinung zu bilden und eine Position zu solch schwierigen ethischen Themen zu entwickeln.
Außerdem bewegen sich gerade Jugendliche sehr viel im digitalen Raum. Jeder Mensch, der digitale Geräte nutzt, hinterlässt dabei einen Fußabdruck aus Daten. Aus diesen Daten werden die Informationen gewonnen, mit denen eine KI gefüttert werden kann, um die Persönlichkeit eines Menschen nachzuempfinden. Die Beschäftigung mit dem eigenen digitalen Fußabdruck und dem, was mit den Daten und Informationen möglich ist, ist damit nicht nur im Kontext von Tod und Verlust relevant und soll mit Jugendlichen thematisiert werden. Die von KI-Unternehmen in „Eternal You“ entwickelten Avatare von Verstorbenen zeigen das Ausmaß dessen, was möglich ist. Dadurch bieten sie zusätzlich zu der Auseinandersetzung mit Tod, Trauer und Verlust einen Anknüpfungspunkt, um über Datenschutz und mögliche Folgen des Teilens privater Daten im digitalen Raum zu sprechen.
Zum Einsatz mit Erwachsenen und Senior:innen
Häufiger als bei Jugendlichen sind die Themen Tod und Verlust Teil des Lebens von Senior:innen und Erwachsenen. Die Frage nach dem Ende des Lebens und dem „Danach“ ist dieser Personengruppen näher. Sie ist Teil der Entwicklungsaufgaben erwachsener und älterer Menschen. Gerade bei Senior:innen spielt die Religion bei der Auseinandersetzung mit dem Tod eine beständige Rolle. Die neue, technisch möglich gewordene Art der Trauerarbeit, das Schaffen eines Avatars oder Chat-Bots auf der Grundlage von Daten des Verstorbenen, kann sehr befremdlich wirken und aufgrund religiöser Ansichten als verwerflich angesehen und verurteilt werden. Deshalb ist eine Thematisierung mit Senior:innen und Erwachsenen von hoher Relevanz.
Den eigenen digitalen Fußabdruck verstehen
Die Unternehmen, die Interaktionen mit KI-generierten Avataren von Verstorbenen anbieten, werden in den nächsten Jahren noch zahlreicher werden. Der Markt hat sich gerade erst eröffnet und Entwickler:innen sehen viel Potential in diesem Bereich. Umso wichtiger ist es, mit Menschen, für welche Technik und besonders die Nutzung von KI befremdlich ist, über die Risiken und Chancen zu sprechen. Es ist wichtig zu verstehen, welche Vorkehrungen im Bezug auf die eigenen Daten getroffen werden können, um eine Nutzung in Form einer KI-generierten Interaktionsplattform nach dem eigenen Willen zu steuern oder über den Tod hinaus zu verhindern. In diesem Kontext ist es relevant darüber zu sprechen, wie viele Daten unbewusst im Internet hinterlassen werden und wie man diese Spuren vor einer Nutzung anderer schützen kann.
In der Konfrontation mit dem eigenen Tod kann der Wunsch entstehen, dass etwas von einem selbst für die Nachwelt erhalten bleiben soll. Die in „Eternal You“ vorgestellten Unternehmen können dafür ein Angebot schaffen. Erwachsene und Senior:innen benötigen, um eine Entscheidung in diesem Bereich treffen zu können, einen sicheren Raum, in dem sie sich über solche Gedanken und Vorstellungen austauschen können. Dabei soll auch über die möglichen Folgen einer solchen Form des „Weiterlebens“ gesprochen werden. Denn nach dem Tod besteht kein Einfluss mehr darauf, wie die KI die eigene Person weiterentwickelt oder was mit den eigenen Daten im Laufe der Zeit passiert.

Anknüpfungspunkte für aktive Medienarbeit
Weitere KI-gestützte Trauerangebote
Die Teilnehmer:innen arbeiten in Kleingruppen zusammen. Die Aufgabe ist die Recherche von Angeboten der KI-gestützten Trauerbewältigung. Das können beispielsweise Chat-Bots zur Seelsorge für Trauernde sein. Der Auftrag kann um generelle Online-Angebote zur Trauerbewältigung ergänzt werden. Anschließend werden die Ergebnisse auf einem virtuellen Interaktionsboard wie beispielsweise Taskcards gesammelt. Dort können die Teilnehmer:innen über die Pro- und Contraseiten der Angebote diskutieren.
Digitales Erbe
Dieses Thema eignet sich besonders für die Arbeit mit Senior:innen. Die Teilnehmenden informieren sich im Internet zum Thema „Digitales Erbe“. Welche Möglichkeiten gibt es? Was muss geregelt werden und wie? Welche Vorkehrungen müssen für welche Dienste und Verträge getroffen werden? Soll eine Vollmacht für eine Vertrauensperson erteilt werden? Was geschieht mit den Geräten? Wo kann ich in den Einstellungen bestimmter Dienste festlegen, was mit meinem Account geschehen soll? Die Teilnehmenden sammeln die Informationen auf einem gemeinsamen Dokument, beispielsweise auf zumpad. Abschließend präsentieren sie ihre Ergebnisse im Plenum.
Ethische Aspekte beleuchten
Der Film „Eternal You“ spricht verschiedene ethische Aspekte in Bezug auf die Interaktion mit von KI erstellten Avataren von Verstorbenen an. Diese Art des Umgangs mit Tod und Verlust wird gesellschaftlich divers diskutiert und häufig moralisch infrage gestellt. Für diese Aufgabe sollen die Teilnehmer:innen dazu recherchieren und diskutieren, welche Aspekte bei der Beurteilung dieser Technik aus einer ethischen Perspektive eine Rolle spielen, wie eine solche Nutzung von KI ethisch vertretbar ist und in welchem Rahmen KI eventuell rechtlich eingeschränkt werden muss. Die Ergebnisse sollen digital gesammelt werden, beispielsweise auf Taskcards, und werden einander im Plenum vorgestellt..
KI-generierte Trauerbotschaften analysieren
In „Eternal You“ werden einige Beispiele von KI-generierten Antworten der Verstorbenen an ihre Hinterbliebenen gezeigt. Online finden sich weitere Beispiele und Videos zu diesem Thema. Die Teilnehmer:innen sollen Beispiele suchen und in Kleingruppen analysieren, ob die Antworten authentisch wirken und welche emotionale Wirkung sie haben. Gemeinsam wird darüber diskutiert, wie authentisch eine KI sein darf und ob Nutzer:innen regelmäßig in den Chats darauf hingewiesen werden sollten, dass die Unterhaltung nicht mit einer realen Person stattfindet.
Weiterführende Materialien
Weitere Materialien zum Thema Tod und Digitalität finden sich auf mekomat.de, beispielsweise zum Thema digitaler Nachlass. Zudem gibt es weitere Filmtipps zum Thema, wie Wer wir gewesen sein werden oder Die letzte Ruhe. Diese beschäftigen sich mit dem Tod, der Trauer im digitalen Zeitalter und der modernen Bestattungskultur.
Für wen?
Jugendliche ab 12 Jahren, Erwachsene, Senior:innen
Bezugsmöglichkeiten
Der Film ist bei der Medienzentrale des Erzbistums Köln zur digitalen Ausleihe verfügbar.
Die DVD mit Vorführrechten kann bei der Matthias-Film GmbH bezogen werden.
Fazit
„Eternal You“ befasst sich mit einem neuen Phänomen der Trauerbewältigung. Die Interaktion mit an Verstorbene angelehnten KI-Modellen wirkt noch meist unnatürlich. Es kommt aber mit der Entwicklung neuer technischer Möglichkeiten stets dazu, dass sich gesellschaftliche Wahrnehmungen und Vorgänge ändern. Was zunächst befremdlich wirkt, wird mit der Zeit zur Normalität. Gerade das Thema Tod und Verlust ruft starke emotionale Reaktionen hervor. Dem Dokumentarfilm „Eternal You“ gelingt es, die neuen Möglichkeiten der virtuellen Trauerarbeit ausgewogen darzustellen, die Gefahren und Chancen gleichermaßen aufzuzeigen und von Beteiligten einordnen zu lassen. Der Film lässt Nutzer:innen, Entwickler:innen und Wissenschaftler:innen zu Wort kommen und zeigt damit die verschiedenen Perspektiven im Hinblick auf das Themengebiet. Er spricht die Zuschauer:innen emotional an und animiert sie, sich tiefergehend mit dem Thema auseinanderzusetzen.