Minister Özdemir hat Recht: Die gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Ländern im DigitalPakt zeigen erste Wirkung bei der technischen Ausstattung der Schulen. Die Ergebnisse der ICILS 2023-Studie zeigen aber auch unmissverständlich, dass der Fokus auf Ausstattung alleine deutlich zu kurz greift – es braucht eine bundesweite, wirkmächtige Qualifizierungsoffensive für Lehrpersonen und andere pädagogische Fachkräfte. Denn trotz verbesserter Infrastruktur sind die digitalen Kompetenzen der Schüler:innen zurückgegangen.
Gesellschaftliche Dimension
Als Initiative „Keine Bildung ohne Medien!“ (KBoM!) sehen wir diese Ergebnisse mit großer Sorge: Geht es doch am Ende nicht nur um individuelle Zukunftschancen, sondern vor allem auch um die Zukunft unserer demokratischen Gesellschaft. Wenn große Teile dieser weder die Potenziale digitaler Systeme noch deren Auswirkungen – sowohl positive als auch negative – verstehen und kritisch reflektieren können, ist die demokratische Willensbildung und Teilhabe fundamental gefährdet.
Aktuelle Problemfelder
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass die digitalen Kompetenzen der Schüler:innen in Deutschland nicht nur im internationalen Vergleich zurückfallen, sondern sich auch die soziale Spaltung weiter verschärft. Alarmierend ist der Schulartenvergleich: Während Gymnasiast:innen zur internationalen Spitzengruppe gehören, verfügen über 40 % ihrer Altersgenoss:innen an anderen Schulformen nur über sehr geringe Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien. Diese digitale Kluft betrifft besonders stark Kinder aus zugewanderten Familien. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von KI, der fortschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche und gesellschaftlicher Diversifizierung ist dies höchst problematisch.
Die jetzt vorliegenden Daten unterstreichen, was KBoM! bereits im Medienpädagogischen Manifest (und Addendum 2019) betont hat: Auch umfängliche Mediennutzung führt keinesfalls automatisch zum Erwerb der notwendigen Kompetenzen – es bedarf vielfältiger (pädagogischer) Begleitung und Hilfestellung, um adäquate Nutzungsformen zu entwickeln. Schule als der Raum, in dem alle Heranwachsende erreicht werden, hat hier eine besondere Bedeutung, braucht aber gerade hier auch die Kooperation mit außerschulischen Initiativen.
Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes
Das Frankfurt-Dreieck bietet hier wichtige Orientierung: Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz, der technologisch-mediale, gesellschaftlich-kulturelle und Interaktions-Perspektiven verbindet. Nur so können wir alle Menschen befähigen, Chancen und Risiken des digitalen Wandels zu erkennen und Potenziale zu nutzen.
Konkrete Forderungen für einen DigitalPakt 2.0
- Eine wirkmächtige Umsetzung und Integration der vielfältigen vorhandenen Lehr-Lern- sowie Fort- und Weiterbildungskonzepte, die nicht nur technische Ressourcen, sondern auch Freiräume und Unterstützungsangebote für Organisations- und Personalentwicklung umfasst, um zukunftsfähige Bildung zu ermöglichen;
- eine verbindliche Verankerung von Medienbildung in allen pädagogischen Handlungsfeldern entlang der gesamten Bildungskette, nicht nur in der Schule;
- Förderung von Bildungsgerechtigkeit für alle Gruppen;
- einen Fokus auf kritische Reflexion und ethische Fragen digitaler/medialer Transformation;
- langfristige und kontinuierliche Finanzierung statt kurzfristiger und mittelfristiger Projekte (vgl. Kompetenzverbund lernen:digital)
Zu überlegen ist, ob die im Koalitionsvertrag vereinbarte Bundeszentrale digitale Bildung nun endlich umgesetzt wird.
Bundesweite Bildungsoffensive Medienkompetenz für die gesamte Bildungskette
Um den aktuellen Herausforderungen von Desinformation, Hass im Netz und Verschwörungserzählungen zu begegnen, brauchen wir auch außerhalb der schulischen Bildung eine Stärkung der politischen Medienbildung für alle Altersgruppen. Wir schließen uns daher der Forderung nach einer bundesweiten Bildungsoffensive Medienkompetenz an, die drei Kernbereiche umfasst:
- die Verzahnung von politischer Bildung und kritischer Medienbildung, um ein tiefgreifendes Verständnis der gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Auswirkungen von Digitalisierung zu ermöglichen,
- die Stärkung von Informations-, Nachrichten- und Meinungsbildungskompetenz in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit,
- die verstärkte Vernetzung und Kollaboration zwischen Akteur:innen aus Zivilgesellschaft, Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.
Diese Bildungsoffensive sollte von Unternehmen, Gewerkschaften, Wissenschaft, Ministerien und Zivilgesellschaft getragen werden und auch die berufliche Bildung, die betriebliche Weiterbildung und weitere außerschulische Bildungsorte einschließen.
Die Umsetzung dieser Ziele erfordert starke öffentliche Bildungsinstitutionen – eine Notwendigkeit, die auch Minister Özdemir betont. Nur so können wir Lernumgebungen schaffen, „in denen Zukunft geschmiedet wird“, um gesellschaftliche Teilhabe und Mitgestaltung für alle zu ermöglichen.
Die Initiative „Keine Bildung ohne Medien!“ setzt sich dafür ein, allen Mitgliedern der Gesellschaft eine grundlegende Medienbildung zu ermöglichen. Die Initiative geht auf das Medienpädagogische Manifest zurück, das 2009 von zentralen medienpädagogischen Einrichtungen in Deutschland veröffentlicht wurde. Das Bündnis versteht sich als Impulsgeber für bildungs- und professionspolitische Aktivitäten zur Förderung eines kreativen, selbstbestimmten, kritischen und sozial verantwortlichen Umgangs mit Medien. Gleichzeitig ist die Initiative ein Netzwerk, das engagierte Einzelpersonen und Einrichtungen im Feld der Medienbildung zusammenführt. Die Clearingstelle Medienkompetenz arbeitet in diesem Netzwerk seit 2014 mit.
(Text: Lenkungskreis KBoM!)