Was kann die katholische Soziallehre zu ethischen Herausforderungen einer durch Digitalität und Medialität geprägten Gesellschaft beitragen? Darüber spricht Lars Schäfers, Wissenschaftlicher Referent der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) in der 21. Episode des Podcasts der Grünen Reihe mit Prof. Andreas Büsch, Leiter der Mainzer Clearingstelle Medienkompetenz der Deutschen Bischofskonferenz.
Bereits im Dezember 2021 hatten die KSZ und die Clearingstelle Medienkompetenz gemeinsam einen digitalen Studientag zum Thema Digitalität als soziale Frage veranstaltet. Grundlage für diesen war wiederum das Thesenpapier „Digitalität und Künstliche Intelligenz. Technik im Dienst des Geist-begabten und Selbst-bewussten Menschen“ der Publizistischen Kommission der DBK, das im November 2020 veröffentlicht worden ist.
Das Papier wiederum steht in einer Reihe mit den beiden anderen Veröffentlichungen der Publizistischen Kommission „Virtualität und Inszenierung“ (2011) und „Medienbildung und Teilhabegerechtigkeit“ (2016). Letztere bietet eine sozialethische Perspektive auf das Themenfeld Digitalität und Medialität und geht aus von der Katholischen Soziallehre.
Ein Blick zurück
Bereits Ende der 00er-Jahre hat die Publizistische Kommission eine Expert:innengruppe eingesetzt. Diese hatte den Auftrag, Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung zu verfolgen und die Publizistische Kommission entsprechend zu beraten. So wurde im Jahr 2011 das medienethische Impulspapier „Virtualität und Inszenierung“ veröffentlicht. Und damals schon gab es Überlegungen, dieses fortzuschreiben. Die Idee war, mit einem Hintergrundpapier Kirche sprachfähiger zu Fragen der Digitalisierung zu machen. Konkret geht es um Antworten auf Fragen wie: Was bedeutet Leben in einer digitalen Gesellschaft? Welche Herausforderungen für Kirche stecken im gesellschaftlichen Wandel?
Im Rahmen eines Studientags der Deutschen Bischofskonferenz im Frühjahr 2015 zum Thema Medien fand diese Idee eines entsprechenden netzpolitischen Papiers positiven Anklang. In der Beschlussvorlage heißt es: „Der Beitrag der katholischen Kirche angesichts der Digitalisierung besteht daher in einem nachdrücklichen Eintreten für einen Wertediskurs und die Geltung rechtlicher sowie ethisch-moralischer Standards. Dazu gehören auch ihr Engagement für Teilhabegerechtigkeit, Medienbildung sowie einen zeitgemäßen Jugendmedienschutz.“ Das Ziel war die Erstellung eines kurzen, prägnanten Papiers, das einzelne Aspekte fokussiert und insofern „Virtualität und Inszenierung“ konkretisiert. Die weitere Redaktion übernahm die Clearingstelle Medienkompetenz, sodass zur Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im September 2016 die Arbeitshilfe 288 „Medienbildung und Teilhabegerechtigkeit“ beschlossen und im Oktober 2016 veröffentlicht werden konnte.
Katholische Soziallehre
Die Prinzipien der katholischen Soziallehre werden darin als Richtschnur gesehen. Im Papier heißt es: „Aus christlicher Perspektive geht es um eine kritische Begleitung der Digitalisierung, die die Menschendienlichkeit dieser Entwicklung gewahrt wissen will. Die Prinzipien der katholischen Soziallehre sind dazu Leitsätze und Richtschnur. Diese Sozialprinzipien sollten – wie für eine verantwortliche Gestaltung des Gemeinwesens insgesamt – auch für eine gemeinwohlorientierte Netzpolitik beachtet werden.“ (S. 8) Vor allem ist es essenziell, dass Menschen nicht nur Datenpunkte, quantifizierbare Objekte sind. Sondern sie müssen stets Subjekte der Entwicklung sein und bleiben! Denn: „Im Kern steht die Personalität, die unveräußerliche Würde jedes einzelnen Menschen als Ebenbild Gottes. Die Gestaltung der Möglichkeiten der Digitalisierung muss sich daran messen lassen, ob sie den Menschen als Subjekt behandelt und nicht als bloßes quantifizierbares Objekt.“ (S. 8)
Und weiter: „Das Sozialprinzip der Solidarität, dass Menschen immer schon wechselseitig aufeinander bezogen und angewiesen sind und Verantwortung füreinander tragen, kann im Digitalen einerseits besonders deutlich werden: Digitale Kommunikation und Vernetzung ermöglichen Solidarität und gegenseitige Hilfe wie nie zuvor und erfordern zugleich die Übernahme von Verantwortung von allen Akteuren. Andererseits gilt es, dieses Prinzip für die Soziale Kommunikation dort stark zu machen, wo neue Ausschlüsse zu entstehen drohen, damit alle an den Chancen der Digitalisierung teilhaben können.“ (S. 8f.) „Schließlich ist für die katholische Soziallehre das Prinzip der Subsidiarität als Entscheidungsprinzip zum Verhältnis verschiedener sozialer Akteure wichtig.“ (S. 9)
Ein Papier und seine Wirkung
Vorgestellt wurde das netzpolitische Papier unter anderem im Rahmen der re:publica 2017. Der Leiter der Clearingstelle, Prof. Andreas Büsch, diskutierte dabei mit Digitalpolitikerin Saskia Esken (SPD). Diese zeigte sich erfreut über das Papier und über die Tatsache, dass die Kirche sich in den Diskurs um die „digitale Gesellschaft“ einbringt. Einig waren sich beide auch, dass das Engagement für Bildung immer ein Einsatz für soziale Entwicklung und Teilhabegerechtigkeit ist. Das betrifft eben auch Engagement seitens der katholischen Kirche. Denn Bildung ist der Schlüssel zur Bewältigung gesellschaftlicher Veränderungen!
Die Podcast-Episode der Grünen Reihe lässt sich auf YouTube anhören sowie auf der Website gruene-reihe.eu. Abonnements des Podcasts sind u.a. möglich auf Spotify und Deezer.
Pingback: Woran wir gerade arbeiten – Juli 2022 | Clearingstelle Medienkompetenz